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Künstlergespräch: Tomás Saraceno im K21 – Mit dem Mikrokosmos den Makrokosmos erklären …

… oder was unterscheidet die soziale Spinne von der weniger sozialen.

Aktueller Hinweis (20.12.23): Die Installation „in orbit“ von Tomás Saraceno muss ab sofort aus technischen Gründen geschlossen bleiben.

KPMG-Kunstabend im K21 – zu Gast war Tomás Saraceno

Seit Juni diesen Jahres erfreute und animierte die spektakuläre Netzinstallation „In Orbit“ bereits zahlreiche Besucher. Heute Abend lud nun das Ständehaus in Person von Marion Ackermann, künstlerische Leiterin der Kunstsammlung NRW, im Rahmen des KPMG-Kunstabends zum Künstlergespräch ein und so fanden trotz richtig miesen Wetters zahlreiche Besucher ihren Weg zur „Bel Etage“ des K21.

Wie es der Zufall wollte stand ich gerade am Aufzug, um mich nach oben unter die Glaskuppel zu begeben, als Thomás Saraceno ebenfalls dort eintraf und zunächst von der Aufsicht, die ihn nicht erkannte, wegen seines kleinen Trolleys, den er mit sich führte, angehalten wurde. Ich machte mir das kleine Vergnügen, den Sachverhalt aufzuklären.

Ackermann und Saraceno bei der Vorbereitung ihres Gesprächs
Ackermann und Saraceno bei der Vorbereitung ihres Gesprächs

Oben begann dann ein zunächst sichtlich aufgeregter aber sehr sympatisch wirkender Saraceno die Zuhörer in den Bann seines Kosmos zu entführen. Dabei wich seine anfängliche Unsicherheit ganz schnell und wurde ersetzt durch den leidenschaftlichen und von den großen und kleinen kosmologischen Zusammenhängen begeisterten Künstler. Saraceno erklärt sehr eindrucksvoll den Ausgangspunkt seiner Installationen: sie gehen zurück auf die faszinierenden Beobachtungen und Grundlagenforschungen, die er im Bereich der Arachnologie (Spinnenkunde) gemacht hat. Im Zuge dieser Untersuchungen, von denen einige am MIT oder am Max Planck Institut durchgeführt wurden, wurde z. B. erstmailig ein 3D-Scan von Spinnennetzen angefertigt.

Im Hintergrund zu sehen die Anfertigung des 3D-Scans eines Spinnennetzes
Im Hintergrund zu sehen die Anfertigung des 3D-Scans eines Spinnennetzes

Dabei konte man einen Unterschied zwischen den Netzen feststellen, wie sie von den nur ca. 20 sozial agierenden Spinnenarten gegenüber den über 30.000 weniger sozialen Spinnenarten gewebt werden: während die Netze der eher unsozialen Spinnenarten flach gewebt sind, sind jene, die von den sozialen Spinnenarten aufgespannt werden dreidimensional. Letztere Spinnenarten spinen auch gemeinsam ihr Netz, auf dem sie dann gemeinschaftlich leben, während die anderen Spinnen ihre Netze alleine bauen und bewohnen. Nach Saraceno sind die sozial agierenden Spinnen erfolgreicher, was man heutzutage ebenso auf den Menschen übertragen könne. Aus diesen Beobachtungen im eher mikrokolsmologischen Bereich ergeben sich dann für Saraceno Fragen zu den großen kosmologischen Zusammenhänge, Fragen nach dem kosmologischen Netz, aber auch Fragestellungen der sozialen Interaktion – wie hängen auch wir Menschen unter einander zusammen, wie beeinflussen Aktionen von Menschen die Aktionen der anderen (sehr plastish geschildert anhand der Livebeobachtungen von Personen, die sich gerade während des Künstlergesprächs in der Installation aufhielten.

Saraceno und Ackermann im Gespräch
Saraceno und Ackermann im Gespräch

Überhaupt nahm die Begeisterung Saracenos für die Gattung der Webspinnen, deren ältesten fossilen Funde bis ins Karbon zurückreichen, den größten Raum des Künstlergespräches ein. Eines wurde aber auch aus den Schilderungen Saracenos ganz klar: bei solch großem Aufwand, der nötig war, diese Rauminstallation überhaupt durch- und umsetzten zu können (“In Orbit“ bedurfte nach Angaben von Ackermann 3 Jahre an Vorbereitung und Planung), geht es auch gar nicht ohne dieses Maß an Enthusiasmus für ein Thema. Und noch eines wurde sehr deutlich: die Kunst des Saracenos, andere Menschen für seine Ideen zu fesseln – um nicht zu sagen – mit seinem ausgelegten Spinnennetz zu fangen: so konnte er das MIT (Massachusetts Institute of Technology) sowie das das Max-Planck-Institut für seine Untersuchungsvorhaben gewinnen, aber auch das Senckenberg Museum in Frankfurt, Ingenieure, Statiker und Architekten konnten für dieses interdisziplinare Projekt überzeugt werden. So musste z. B. zur Berechnung der Statik von “In Orbit“ auf eine chinesische Software (wenn ich es richtig verstanden habe namens “Easy“) zurück gegriffen werden, welche weltweit nur 5 Spezialisten handhaben können, um berechnen zu können, welche Zugkräfte auf jeden Punkt der gespannten Netzkonstruktion wirken. Eine besondere Herausforderung dabei war auch, dass die zahlreichen Verankerungspunkte der Drahtseile an der Dachkonstruktion des Ständehauses sich sehr in ihrer Tragfähigkeit voneinander unterscheiden, was dann bei der Aufhängung der Gesamtkonstruktion berücksichtigt werden musste, damit das Dach dieser Belastung standhält. Für das Modell zu „In Orbit“ ließ er zudem dann natürlich Spinnen einen Teil der „Entwürfe“ vorspinnen und setzte diese dann im Modell um.

Ackermann verglich Saraceno ob seines universalkünstlerischen Ansatzes und seines Beitrags zur Kenntnisgewinnung in den Naturwissenschaften dann auch mit Goethe und unterstrich die aus seiner universalen Herangehensweise und der interdiziplinarischen Zusammenführung von Kunst und Wissenschaft abgeleitete besondere Bedeutung Saracenos für die zeitgenössische Kunst.



Das soziale Kooperationsverhalten hat sich jedenfalls Saraceno wie es scheint für die Umsetzung seiner Großinstallationen perfekt bei seinen Gliederfüßlern abgeschaut.


Abendliches Treiben im "Orbit"
Abendliches Treiben im „Orbit“


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Tagestipp MI (06.11.): KPMG-Kunstabend in K20/K21 (u. a. mit Tomás Saraceno)

KPMG-Kunstabend NOV in K20/K21 (Düsseldorf)

Mi, 06.11.2013
K20 GRABBEPLATZ
K21 STÄNDEHAUS

Aktueller Hinweis (20.12.23): Die Installation „in orbit“ von Tomás Saraceno muss ab sofort aus technischen Gründen geschlossen bleiben.

In der Reihe KPMG-Kunstabende wird ab 18.00 Uhr ein abwechslungsreiches Programm mit verschiedenen Themenführungen und Veranstaltungen präsentiert. Anmeldungen nicht erforderlich….
EINTRITT FREI!

18:00 Uhr Familienführung im K20
18:00/ 19:00 Uhr Werke im Zwiegespräch
18:00/ 19:00 Uhr Themenführungen
19:00 Uhr Kunst á la carte – Lieblienswerke unserer Experten
19:00 Uhr A Gallery Talk in English

20:00 Uhr Gespräch im K21:
Tomás Saraceno und Marion Ackermann
sprechen über die spektakuläre Installation
in Orbit, über die Utopien des Künstlers
sowie über Konzeption und Realisation seiner
Projekte (in englischer Sprache).

Informationen unter
http://www.kunstsammlung.de/entdecken/veranstaltungen/kpmg-kunstabend.html
Informationen zu den Adressen, Anfahrt und Parkplätze findet ihr hier:
http://www.kunstsammlung.de/besuchen/anfahrt.html

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ab 21.6. K21 (Düsseldorf): Tomás Saraceno – in orbit

Tomás Saraceno – in orbit

K21 STÄNDEHAUS


Eröffnung: 21. Juni 2013, 19.00 Uhr
Laufzeit: 22. Juni bis voraussichtlich Herbst 2014

Aktueller Hinweis (20.12.23): Die Installation „in orbit“ von Tomás Saraceno muss ab sofort aus technischen Gründen geschlossen bleiben.

Eine riesige Rauminstallation mit dem Titel „in orbit“ des Künstlers Tomás Saraceno ist in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen entstanden. In mehr als 20 Metern Höhe über der Piazza von K21 Ständehaus spannte Saraceno eine Konstruktion aus Netzen, in denen sich die Besucher scheinbar schwerelos bewegen können. Die insgesamt 2.500 Quadratmeter hochmoderner Sicherheitsnetze breiten sich in drei Ebenen unter der gewaltigen Glas- kuppel des K21 aus. Sie werden von einer Reihe „Sphären“, luftgefüllten PVC-Kugeln von bis zu 8,50 Metern Durchmesser, auf Abstand gehalten.

Installationsansicht: in orbit Tomás Saraceno - in orbit, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, K21 Ständehaus, © Tomás Saraceno Foto: © Studio Saraceno © Kunstsammlung NRW
Installationsansicht: in orbit
Tomás Saraceno – in orbit, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, K21 Ständehaus, © Tomás Saraceno
Foto: © Studio Saraceno
© Kunstsammlung NRW

„Das Werk zu beschreiben bedeutet die Menschen zu beschreiben, die es benutzen – und deren Gefühle“, erklärt Tomás Saraceno zu seiner in den vergangenen drei Jahren mit Ingenieuren, Architekten und Spinnen-Spezialisten geplanten bisher größten Installation. Saracenos auf drei verschiedenen Schichten begehbare Netzkonstruktion erscheint wie eine wolkenartige Landschaft: Die Mutigen, die die Installation betreten, nehmen aus luftiger Höhe die Museumsbesucher in der Tiefe wie eine winzige „Modellwelt“ wahr. Von unten, aus den Zwischengeschossen des Ständehauses und vor dem Hintergrund der Glaskuppel erschei- nen die Menschen wie „Schwimmer“ am Himmel. Der Raum in der Schwebe wird für den Künst- ler zu einem schwingenden Netz von Beziehungen, Nervenbahnen, Resonanzen und synchroner Kommunikation – eine neue digitale Geographie, die physisch erlebbar wird.

Die unterschiedlichen Materialien unterstreichen Saracenos grundlegende Ideen des Fließens und der Leichtigkeit: “Wenn ich diese vielschichtigen Ebenen von durchschei-nenden Linien und Sphären betrachte, werde ich an Modelle des Universums erinnert, die Schwerkraft und planetarische Körper darstellen. Die Arbeit visualisiert für mich das Raum-Zeit-Kontinuum, ein dreidimensionales Netz einer Spinne, die Verzweigungen von Materie im Gehirn, die Dunkle Materie oder die Strukturen des Universums. „in orbit“ setzt Proportionen in neue Beziehungen; menschliche Körper werden Planeten, Moleküle oder soziale schwarze Löcher.”

„in orbit” ist eine der leichtesten Installationen, die der Künstler realisiert hat: Assoziationen an die Feinheit und gleichzeitige Stabilität von Spinnennetzen und Seifenblasen stellen sich ein, auch wenn die Netzkonstruktion allein 3.000 Kilo und die größte der „Sphären“ 300 Kilo wiegt. Die Verbindung von Funktionalität, Schönheit und Stärke, die Saraceno bei seinen langjährigen Beobachtungen des Netzbaus unterschied-licher Spinnenarten studiert hat, findet sich auch in den Details von „in orbit“.

Die genaue Beobachtung der Natur und die gedankliche Weiterentwicklung dieser Phänomene gehören zu den festen Kennzeichen im Werk des Künstlers, das die Grenzen von Kunst und Wissenschaft auflöst. Der Raum wird durch Vibration wahrgenommen, wie Spinnen sie spüren. So entsteht eine neue hybride Form der Kommunikation. Saraceno: „Jeder einzelne Strang wird die Besucher nicht nur halten, sondern sie zusammenweben, gemeinsam agieren lassen. Es ist wie ein gestrecktes Netz auf offener Wiese. Eine offene kosmisch gewebte Struktur, die sich verdichtet, verzweigt und an ihren Rändern wieder in Linien mündet. Das Netz ist einzigartig in seiner Beziehung mit der vorhandenen Architektur.“

„Mit seinen wagemutigen, grenzüberschreitenden Projekten beschreibt Saraceno nicht nur mittels Kunst, was die Wissenschaft herausgefunden hat, er treibt sogar die Wissenschaft voran“, erklärt Kunstsammlungs-Direktorin Marion Ackermann. Nicht zuletzt dank Saracenos Initiative sei es möglich, „mit der Erforschung der Strukturen von Spinnennetzen Analo- gien zur Entstehung des Universums herzustellen.“ In einem von Saraceno im K21 einge-richteten Künstlerraum weben lebende Spinnen ihre Netze und geben auf diese Weise einen Einblick in den naturwissenschaftlichen Hintergrund der Tätigkeit des Künstlers.

In den Dimensionen und der Radikalität ist „in orbit“ ohne Vorbild im Werk Saracenos, beschreibt Ausstellungskuratorin Susanne Meyer-Büser die präzise für die Kuppel entwickelte Großinstallation: „Selten bezieht ein Kunstwerk den Betrachter emotional so unmittelbar mit ein.“ Auch wer das Netz über dem Abgrund nicht betreten mag und die Installation nur betrachtet, „wird sich mehr oder weniger mit dem Themenkomplex `Fliegen, Fallen, Schweben` und seinen archetypischen Ängsten und auch Freuden beschäf-tigen“. Mit seiner Düsseldorfer Arbeit zielt Saraceno, der Kunst und Architektur stu- diert hat, zudem auf die unmittelbaren individuellen wie kollektiven Erfahrungen der Menschen: Wer sich in den Netzen hoch über dem Boden bewegt, wird eine neue Dimension der (Selbst)Wahrnehmung als persönlich prägendes Erlebnis mitnehmen. Ein unübersehbarer sozialer Aspekt tritt hinzu: Die kühne Konstruktion gerät durch mehrere Benutzer in Bewegung, die Spannung und die äußere Form der Installation verändert sich – die Menschen müssen ihre Aktivitäten miteinander koordinieren, um sich im Netz optimal bewegen zu können.

Oft hat der Künstler-Architekt seine Schöpfungen mit lebenden Organismen verglichen. Die Veränderung des Umfelds stößt Gedankenprozesse an; ihn interessiere, „wie neue Räume und Menschen neue Ideen generieren“, sagt Saraceno.

Mit dieser bislang größten und technisch komplexesten Arbeit schließt der 39-Jährige nicht nur an die Cloud Cities im Hamburger Bahnhof in Berlin und seine Arbeit auf dem Dach des Metropolitan Museums in New York an. Vielmehr ist die Düsseldorfer Groß-Instal-lation für ihn auch ein neuer wichtiger Schritt zur Verwirklichung seines sozialuto-pischen Projektes der Air-Port-City, einer schwebenden Stadt.

In der Nachfolge von Jules Verne und des amerikanischen Architektur-Visionärs Richard Buckminster Fuller sieht Saraceno in seiner Wolkenstadt eine sensible Antwort auf die Hoffnung, einen gemeinsamen utopischen Traum zu entwickeln. Es gilt, physische und digitale Realitäten zu verbinden, um eine neue soziale und politische Beteiligung zu erzielen. Diese leitet für den Künstler Antworten ein auf die zunehmende Unbewohnbarkeit der Erde, auf dramatisches Bevölkerungswachstum und wachsende Ökologieprobleme. Zu ihrer eigenen Sicherheit werden die Besucher von „in orbit“ von Mitarbeitern der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in die Benutzung der Installation eingewiesen. So dürfen sich nicht mehr als 10 Personen gleichzeitig in den Netzen aufhalten. Feste Schuhe (Profilsohlen), die Benutzung eines bereit gestellten Overalls und ein Mindestalter von 12 Jahren sind die Voraussetzung zur aktiven Nutzung von „in orbit“.



Anläßlich dieses Installationsprojektes fand am 6. Nov 2013 ein Künstlergespräch im K21 statt. Lesen Sie hier unseren Artikel darüber: Saraceno im K21.

Das Video der KUNSTSAMMLUNG NRW zum „Making Of“ von „orbit“



K21 STÄNDEHAUS
Ständehausstraße 1
40217 Düsseldorf

www.kunstsammlung.de