Der Skulpturenpark Waldfrieden zeigt in Zusammenarbeit mit der Galerie Konrad Fischer, Düsseldorf, von Samstag, den 17.1.2015, bis Sonntag, den 8.3.2015, eine Werkauswahl des US-amerikanischen Künstlers Bruce Nauman. Im Ausstellungspavillon und im Umfeld der Villa Waldfrieden werden Videoarbeiten präsentiert, die den Künstler bei der Realisierung von Performances und Aktionen zeigen.
Bruce Nauman (*1941) wird oft als der bedeutendste amerikanische Künstler der Gegenwart bezeichnet. Sein Werk, das sich seit den 60er Jahren in den verschiedensten medialen Ausdrucksformen entfaltet, umfasst Skulpturen ebenso wie Filme, Fotografien, Rauminstallationen und Neonarbeiten. Doch die formale Vielgestaltigkeit seiner Arbeiten ist nie Ausdruck eines oberflächlichen Interesses am Experiment, sondern das Ergebnis eines zähen, ernsthaften und kompromisslosen Arbeits- und Denkprozesses. Naumans Kunst „berührt nahezu alle Fragen nach dem Menschen und seinen Lebensbedingungen. [Ihn] interessieren die politischen und sozialen Wirklichkeiten ebenso wie die theoretischen, die philosophischen, psychologischen und wissenschaftlichen Reflexionen über das menschliche Sein.“ (Eugen Blume)
Der Skulpturenpark Waldfrieden zeigt in Zusammenarbeit mit der Galerie Konrad Fischer eine Werkauswahl des Künstlers, welche die Vielschichtigkeit von Naumans Schaffen widerspiegelt. Im Ausstellungspavillon und im Umfeld der Villa Waldfrieden werden Videoarbeiten präsentiert, die den Künstler bei der Realisierung von Performances und Aktionen zeigt. In der für ihn typischen Weise schafft Nauman „Versuchsanordnungen“, die – so etwa durch die Diskrepanz zwischen Gehörtem und Gesehenem im Video Lip Sync (1969) – irritierende Wahrnehmungen auslösen. Daneben umfasst die Ausstellung Werke, die sich auf das Motiv der Hände beziehen, das für Nauman in den 90er Jahren an Bedeutung gewann.
Stephan Balkenhol 12. Juli 2014 bis 12. Oktober 2014
Stephan Balkenhol lebt und arbeitet in Kassel, Karlsruhe, Meisenthal (Frankreich) und Berlin. Er wurde 1957 im hessischen Fritzlar geboren, absolvierte 1976 in Kassel sein Abitur und studierte anschließend bei Ulrich Rückriem an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg (1976–1982). Nach Lehraufträgen ebendort und an der Hochschule für Bildende Künste – Städelschule in Frankfurt a. M. lehrt Balkenhol seit 1992 als Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe.
Seit 1983 sind seine Werke in zahlreichen Ausstellungen in Galerien und Museen weltweit zu sehen, unter anderem in großen Einzelausstellungen in den Deichtorhallen Hamburg (2008/09) und im Musée de Grenoble (2010/11). Balkenhols Werk zeichnet sich durch das Bestreben des Künstlers aus, die Skulptur von politischen, religiösen oder allegorischen Implikationen zu befreien und die figurative Skulptur neu zu begründen. Mit den für den öffentlichen Raum realisierten Arbeiten lässt sich Balkenhol auch auf historisch aufgeladene Orte ein und nimmt auf diese formal und inhaltlich Bezug.
2009 realisierte Balkenhol mit dem Balanceakt, der zur Erinnerung an den geschichtsträchtigen Mauerfall vor dem Axel-Springer-Hochhaus in Berlin aufgestellt wurde, eine Arbeit, die den Umgang mit der gewonnenen Freiheit als etwas stets Unsicheres und Schwankendes thematisiert.
Ebenfalls 2009 konzipierte Balkenhol für das Forum Romanum in Rom den großen männlichen Torso Sempre più … (Immer mehr …), der in seiner Bildsprachlichkeit an die Antike anknüpft, dem Betrachter aber zugleich heutig und gegenwärtig zublinzelt. Mit der skeptisch blickenden Skulptur, die einem See von Münzen zu entsteigen oder in diesem zu versinken scheint, thematisiert Balkenhol ohne moralischen Zeigefinger oder in illustrativer Verkürzung das Phänomen der Maßlosigkeit, welches sich in allen Gesellschaften und Individuen wiederfinden lässt. 2011 wurde Sempre più … anlässlich der Salzburger Festspiele im Mozarteum in Salzburg gezeigt. 2012 war der Männertorso aus Zedernholz im Innenhof der St.-Elisabeth-Kirche in Kassel zu sehen und damit Teil einer Ausstellung, die parallel zur Documenta 13 lief. Ebenfalls zur Ausstellung gehörte eine von Balkenhol in den Kirchturm integrierte Figur, die – zunächst umstritten – mittlerweile ein fester Bestandteil des Kasseler Stadtbildes geworden und zum Symbol für die Autonomie der Kunst avanciert ist.
Für Leipzig schuf Balkenhol ein Denkmal für Richard Wagner, das 2013 anlässlich des 200. Geburtstages des Komponisten eingeweiht wurde. Eine besondere Herausforderung lag bei dieser Auftragsarbeit darin, den über einhundert Jahre alten Entwurf des Künstlers Max Klinger in die Arbeit zu integrieren und gleichzeitig die zu Recht zwiespältig rezipierte Person Wagners im 21. Jahrhundert zu würdigen.
Auf Einladung der deutschen Botschafterin in Paris bespielte Balkenhol 2013 die geschichtsträchtige Residenz der Deutschen Botschaft im Palais Beauharnais, in der sich seit zweihundert Jahren die deutsch-französischen Beziehungen spiegeln. Zu Beginn des Jahres 2014 zeigte Balkenhol neue Arbeiten in einer Einzelausstellung in Singapur.
Zur Ausstellung erscheinen eine Broschüre und ein Plakat.
Öffnungszeiten
März bis Oktober: Dienstag bis Sonntag, 10-19 Uhr
November bis Februar: Freitag bis Sonntag, 10-17 Uhr
Der Skulpturenpark Waldfrieden ist an allen Feiertagen geöffnet
Vernissage: Am Freitag, 28. Juni 2013 ( 17 Uhr) wird die Ausstellung in Anwesenheit des Künstlers William Tucker eröffnet.
William Tucker zählte in den 1970er
Jahren zu dem einflussreichen Kreis englischer Bildhauer wie Philip King oder Tim Scott, die als „New Generation“ in der gleichnamigen Ausstellung in der Whitechapel Art Gallery London 1965 vorgestellt wurden und entscheidende Impulse für die Entwicklung der abstrakten Skulptur und die Erweiterung des Skulpturenbegriffes setzten. Tucker war 1966 zu der wegweisenden Ausstellung „Primary Structures“ im Jewish Museum in New York eingeladen, einem der entscheidenden Impulse für die Amerikanische Minimal Art. In dieser Zeit wurde er auch als Theoretiker, Kritiker und Ausstellungsmacher bekannt.
Das aktuelle Werk von William Tucker das in Wuppertal präsentiert wird, hat einen Bezug zur menschlichen Figur. Vor dem Hintergrund der frühen Arbeiten ist dies überraschend. Doch die Abgrenzung zwischen Figuration und Abstraktion behandelt Tucker offen und sieht darin keinen Widerspruch. Trotz ihres figurativen Bezuges sind die Skulpturen in ihrer Form nicht sofort zu entschlüsseln und benennen. Sie verweisen nicht auf eine einfache, klar ablesbare menschliche Form oder Geste – nichts steht auf einem Bein, kniet oder sitzt. Die Skulpturen eröffnen vielmehr ein weites Feld möglicher Assoziationen und erlangen so ihre eindringliche und einzigartige Physis, der man sich nicht entziehen kann. William Tuckers Skulpturen haben eine Präsenz, die unseren Körper in Bezug zu ihnen stellt und so bewusst macht.
Die Beschäftigung mit der Natur, Struktur und Masse des menschlichen Körpers, hat Tucker zu einer Reihe von Skulpturen geführt, die interessanter Weise eher durch ihre abstrakte als durch ihre offensichtliche Form bestimmt sind. Die Ausstellung zeigt unter anderem die monumentalen Bronzen „Vishnu“ und „Eve“ sowie „Victory“ und „Hommage to Rodin (Bibi)“, eine Skulptur die exemplarisch zeigt, wie sich William Tucker als innovativer Bildhauer auch auf einen historischen Kontext bezieht.
Skulpturen aus der aktuellen Schaffensphase von William Tucker befinden sich unter anderem in der Sammlung der Tate Gallery London, im Guggenheim Museum und im MoMA New York, im Nasher Sculpture Center Dallas sowie in der Art Gallery of New South Wales in Sydney.
Interview mit Prof. Anthony Cragg, Rektor der Kunstakademie Düsseldorf und international renommierter Bildhauer.
Kurz vor Weihnachten hatte die Redaktion von KunstDuesseldorf.de (KD) Gelegenheit zu einem Interview mit Prof. Anthony Cragg (AC) in der Düsseldorfer Kunstakademie. Das Interview für KD führte Sven Blatt.
(Am Ende des Interviews finden Sie noch ein YouTube-Video der Deutschen Welle zu Tony Cragg.)
KD: Zunächst einmal möchten wir mit ein paar Fragen zur Kunstakademie bzw. dem Studium an dieser beginnen. – Die Zulassung zum Studium an der Kunstakademie Düsseldorf ist an gewisse Bedingungen geknüpft. Welche sind das?
AC: Dies ist ein Teil der Studienordnung der Kunstakademie und darin genau beschrieben.
KD: Aber dort wird auch so etwas angesprochen wie die “künstlerische Begabung“ – die Kunstakademie nimmt ja nicht jeden, sondern man muss eine künstlerische Begabung nachweisen.
AC: Ja – wenn wir jeden nehmen würden, dann bräuchten wir keine Kunstakademie zu sein.
KD: Wird das Vorliegen einer künstlerischen Begabung in einem Test geprüft?
AC: Das ist ein ganz normales Aufnahmeverfahren, bei dem die Studenten, die sich bewerben eine Mappe mit ihren Arbeitsproben einreichen Das kann man aber alles ganz gut in der Studienordnung nachlesen.
KD: Muss man denn zwingend eine zeichnerisches Talent mitbringen?
AC: Nein, nicht unbedingt. Für den, der über zeichnerische Fähigkeiten verfügt, ist es schön, aber es ist keine Bedingung.
KD: Herr Prof. Cragg – Sie selbst haben ja vor ihrer künstlerischen Laufbahn den Beruf eines Labortechnikers erlernt. Würden Sie einem jungen Menschen, der sich mit dem Gedanken trägt, Kunst zu studieren, raten, vor dem Studium auf jeden Fall zunächst eine Lehre in einem “klassischen Beruf“ zu absolvieren?
AC: Nein, ich würde das nicht generell jedem raten. Wenn jemand weiß, was er machen will, dann soll er sich ruhig direkt an der Kunstakademie bewerben. Aber eine andere Ausbildung oder Werdegang vor einem Kunststudium ist nicht schädlich.
KD: Man kann gelegentlich Behauptungen bzw. Kritik hören, dass während des Studiums an der Kunstakademie die Ausbildung in künstlerischen Grundtechniken wie z. B. dem Freihandzeichnen, zu kurz käme. Wie sehen Sie das?
AC: Da ich nicht weiß, von wem diese Kritik stammt, kann ich sie eigentlich nicht kommentieren. Ich kann nur so viel sagen, dass für diejenigen, die es möchten, von der Kunstakademie auf allen Ebenen und in allen Disziplinen der richtige Unterricht angeboten wird.
KD: Herr Prof. Cragg, Sie sind Brite und hatten ihre künstlerische Ausbildung in Großbritannien. Kann man bzw. wie würden Sie das künstlerische Lehrwesen in Großbritannien mit dem in Deutschland vergleichen? Wo liegen die Unterschiede, was könnte man in Deutschland verbessern, was ist gut hier?
AC: Das ist sehr schwierig miteinander zu vergleichen. Nicht nur, dass man zwei völlig unterschiedliche Systeme vor sich hat, sondern auch völlig verschiedene Zeiten. Ich habe in den Jahren 1969 bis 1977 unter ganz anderen Bedingungen studiert, als man sie heute in Großbritannien vorfindet. Die Engländer haben ein großes System. Ich glaube es gibt an die 100 Kunstakademien – Art Schools – und die bildende Kunst ist sehr mit dem Design verknüpft. Wenn man dort eine Kunstakademie besucht, ist es möglich bis an die 16 kunstverwandte Fächer zu belegen, z. B. Keramik, Grafik, Mode, Mediendesign, Möbel etc. und eben auch Malerei und Bildhauerei. Und das kann man natürlich nicht nur in einer Akademie, sondern in einer Vielzahl von Akademien und diese bieten dann eine bestimmte Auswahl dieser Fächer an – manche bieten 2 oder 3 Studienrichtungen an, es gibt aber auch welche, bei denen man aus bis zu 10 wählen kann. In Deutschland ist das natürlich eine ganz andere Situation – es gibt in dem Sinne kein ganzes Akademiesystem, sondern einzelne Akademien mit einem relativ hohen Maß an Autonomie und der Unterricht findet in Künstlerklassen unter der Leitung eines bestimmten Professors statt. – Ich finde, das ist ein sehr erfolgreiches Modell. Das sieht man auch daran, wie viele Künstler aus den Kunstakademien – so auch aus der Düsseldorfer – hervorgegangen sind. Da muss man also doch etwas richtig gemacht haben.
KD: Das ist auch nach wie vor so? Oder anders gefragt: Wo sehen Sie den Kunststandort Düsseldorf in seiner künstlerischen Bedeutung?
AC: Nun – es gibt natürlich Gründe, warum Düsseldorf in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieges zu einem Zentrum der Kunst wurde. Zunächst einmal gab es eine große Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen, eine große und abwechslungsreiche Tradition in der Kultur. Die Grundlagen dazu waren also quasi schon vorhanden und Düsseldorf lag sozusagen in “der freien Welt“, nicht wie das in einem eingekesselten Berlin der Fall war, welches durch seine Isolation ein kulturelles Zerrbild von sich wieder gespiegelt hat oder der Akademie in München, wo man sehr konservativ an die Kunst heranging. Düsseldorf verfügte über exzellente Beziehungen zum Ausland, so dass Düsseldorf einfach auch historisch bedingt, die idealen Voraussetzungen als Kunststandort mitgebracht hat. Das ist natürlich eine gute Grundlage dafür, dass die Düsseldorfer Kunstakademie auch weiterhin interessant und auch relevant bleiben kann, nur die Historie ist natürlich kein alleiniger Garant dafür, sondern man muss dafür Sorge tragen, dass sie sich weiter entwickelt und man muss in sie investieren, um sie weiter voran zu bringen.
KD: Was würden Sie als die wichtigste Eigenschaft bezeichnen, die man mitbringen muss, um ein erfolgreicher Künstler zu werden?
TC: Es kommt darauf an, was Sie unter einem “erfolgreichen Künstler“ verstehen. Ein Künstler, der einfach seinen eigenen Visionen nachgeht, ist für mich ein erfolgreicher Künstler – und das ist eigentlich unser Ziel. In der heutigen Zeit, wo so viel öffentliches Interesse für die Kunst herrscht mag es eine andere Vorstellung von “Erfolg“ geben – aber für uns gilt nur der künstlerische Erfolg als solcher. Man muss die eigene Stärke haben, seine eigenen Themen zu entwickeln, eine Beobachtungsphase in seiner Arbeit zu haben, in der man Informationen zu Themen sammelt, die einen interessieren und dann selbstverständlich die Möglichkeit haben, dies dann auch in das Material umzusetzen. Aber das sind keine Vorbedingungen, man weiß nicht im Voraus, ob man das alles mitbringt – dieses Haus hier gibt den Leuten die Möglichkeit herauszufinden, ob sie das können.
KD: Wer bestimmt eigentlich heute, was Kunst ist und was nicht?
TC: Nur der bzw. die Künstler selbst.
KD: Herr Prof. Cragg: Sie sind nun seit 2009 Rektor der Kunstakademie und bilden – zusammen mit zwei weiteren Professoren, den sog. Prorektoren – das Rektorat der Kunstakademie. Verkürzt heißt es auf der Website der Kunstakademie zur Funktion des Rektorats, dass seine Aufgabe darin besteht, sicherzustellen, dass die Funktionsträger ihre Aufgaben und Pflichten wahrnehmen. Wie würden Sie mit ihren eigenen Worten die Funktion des Rektorats bzw. die des Rektors der Kunstakademie definieren? Mit welcher Zielsetzung führen Sie dieses Amt?
TC: Für mich ist es wichtig, dass die Kunstakademie Düsseldorf auch weiterhin ein relevantes Zentrum für die Kunst bleibt und das ist Ziel meiner Arbeit.
KD: Was würden Sie sagen – welche Entwicklung hat die Kunstakademie während ihres Rektorats gemacht? – Ist sie “skulpturenlastiger“ geworden? Beim letzten Rundgang hatte ich jedenfalls diesen Eindruck gewonnen.
TC: Es gibt weit mehr Maler als Bildhauer hier im Haus – so wie das eigentlich schon immer der Fall war – ich würde diese Sicht nicht unbedingt teilen und ich finde das auch relativ irrelevant. Manchmal wird gesagt, dass die Kunstakademie eine “Malerakademie“ wäre und dann aber auch wieder, dass sie eine “Bildhauerakademie“ wäre. Eigentlich ist mir das egal, für mich ist sie eine Kunstakademie.
KD: Ist ihre eigene Kunst durch ihr Amt des Rektors zu kurz gekommen?
TC: Ich würde nicht sagen zu kurz gekommen, aber es ist einfach so, dass ein Mensch nur eine gewisse Anzahl an Aufgaben auf einmal erledigen kann – es gibt Zeiten, wo ich mehr über die Akademie nachdenke, als ich es tun sollte, aber das ist okay.
KD: Vor kurzem konnte man lesen, dass Sie ihre Amtszeit als Rektor nicht verlängern werden. Ist das richtig und wenn ja, warum? TC: Ja, das ist richtig – es war so geplant, dass ich dieses Amt für vier Jahre übernehme. Ich möchte zurück in mein Atelier, da ich einige andere Projekte habe, an denen ich arbeiten möchte, aber ich werde der Kunstakademie noch einige Jahre als Professor erhalten bleiben.
KD: So, nun noch eine Leserfrage – Werden Sie selbst durch die Arbeiten ihrer Studenten inspiriert?
TC: Durch die Gespräche mit den Studenten, ja – aber weniger durch ihre Arbeiten. Die Gespräche mit den Studenten finde ich inspirierend.
KD: Nun noch ein paar Fragen an Sie als Künstler. Ihre künstlerische Laufbahn nahm zunächst ihren Anfang in der Malerei – welchem Umstand haben wir es zu verdanken, dass Sie sich dann letztlich der Bildhauerei zugewendet haben?
TC: Ob man dafür dankbar sein sollte, weiß ich nicht (lacht). Als ich zur Akademie ging, wollte ich zunächst zeichnen – ich habe mich sehr für das Zeichnen interessiert, das war mein Hauptinteresse. Gemalt habe ich nur während der Zeit, die man hier an der Kunstakademie “Orientierungsbereich“ nennt, also nur im ersten Jahr – während meiner ersten Vollzeitakademie in Wimbledon besuchte ich einem Malereikursus, aber ich fand es einfach viel spannender, mit Material zu arbeiten.
KD: Ja, Material ist ja schlichtweg das Thema bei Ihnen. – Was ist die Intension ihres künstlerischen Schaffens?
TC: Möchten Sie die kurze Fassung oder die lange? – (lacht) – Nein, eine solche Frage beantworte ich nicht.
KD: Lassen Sie mich die Frage anders formulieren – Kann man sagen, dass Sie als Künstler ihrem ersten Beruf doch irgendwo treu geblieben sind – und zwar in dem Sinne, dass Sie auch als Künstler nach wie vor Materie untersuchen, ihre Möglichkeiten erforschen – nur eben auf eine andere Art und Weise denn als Labortechniker?
TC: Nun – Material ist alles, was wir kennen – alles was in dem Raum ist, auch Dinge wie Emotionen und Intelligenz haben eine materielle Grundlage. Wenn also auch Gedanken und Gefühle eine materielle Grundlage haben, dann kann man erahnen, wie erhaben das Material ist. Es ist tatsächlich so, dass die Bildhauerei zu einer Studie der Materialwelt geworden ist – zwar nicht, wie das die Wissenschaft macht, die untersucht, nach welchen Gesetzmäßigkeiten Materie funktioniert – sondern die Kunst gibt den Dingen, die um uns herum sind, einen Wert, eine Bedeutung, auch einen gewissen Sinn und das ist eine wichtige Aufgabe der Kunst.
KD: Welcher bzw. welche Künstler haben Sie am meisten beeinflusst? TC: Ach, ich zögere, hier jemanden Bestimmten hervorzuheben. Es gab und gibt sehr viele – Medardo Rosso, Marcel Duchamp, Henry Moore, Joseph Beuys um nur einige zu nennen – alle diese Bildhauer haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass wir mit der Bildhauerei heute dort stehen, wo wir sind.
KD: Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Malerei und Bildhauerei? Kann man diese unterschiedlichen Ausdrucksformen der bildenden Kunst überhaupt miteinander vergleichen oder sind das für Sie zwei völlig verschiedene Dinge?
TC: Vergleichbar sind sie auf jeden Fall, aber der primäre Unterschied ist natürlich ganz offensichtlich – der Maler ist mehr mit dem Bildhaften beschäftigt, der Bildhauer eher mit der Realität. Das Verhältnis zwischen der Bildhauerei und der Malerei wird von Malern auch schon mal gerne so beschrieben, dass Bildhauerei das ist, worüber man stolpert, wenn man zurück tritt, um sich ein Bild anzuschauen. Das sehen natürlich die Bildhauer ganz anders (lacht).
KD: Sie möchten ja denke ich auch nicht, dass man über ihre Skulpturen stolpert.
TC: Dabei würde man sich sicherlich weh tun. Wir versuchen jedenfalls, es den Leuten nicht leicht zu machen (lacht)
KD: Braucht die Bildhauerei die Banalitäten des Alltags wie das Gute das Böse?
TC: Die Bildhauerei bzw. die Kunst an sich ist in gewisser Weise ein Spiegelbild von allem, was menschlich ist und da gehört bestimmt auch die Banalität dazu.
KD: Aber kann sich die Kunst nicht überhaupt erst als solche dadurch abheben, dass sie die Banalität als Gegenpol hat?
TC: Nur dass es in vielen Situationen keinen Kontrapunkt zu den Banalitäten gibt. Insofern ist man sehr oft in einer öderen Welt zurückgelassen, die nur auf einer relativ niedrigen Ebene funktioniert. Aber man kann beobachten, dass Studenten, die gerade mit dem Kunststudium angefangen haben, bereits nach relativ kurzer Zeit die Welt ganz anders betrachten. Sie ziehen Dinge in Betracht, nehmen Dinge wahr, auch wenn sie banal sein mögen und durch diese Betrachtung finden sie Inhalte und das ist natürlich, worum es geht.
KD: Nun ein paar konkrete Fragen zu ihrer Kunst. – Wie entstehen ihre Skulpturen? Wie kann man sich den Entstehungsprozess vorstellen? Zeichnung – Modell – Werkstatt? Sind das die üblichen Stationen, die ihre Skulpturen durchlaufen?
TC: Ja, meistens über Zeichnungen und kleinere Skulpturen, also Modelle und Modellierungen – im Moment erfolgen sehr viele Ausarbeitungen in Holz. Danach erfolgt die Entwicklung von größeren Objekten.
KD: Holz quasi als Positivform? TC: Ja genau – aber nicht nur Holz, auch Kunststoff oder Gips – das sind die Materialien, die man verwenden kann, um Formen zu bauen – diese werden als erstes hergestellt.
KD: Bei ihren Zeichnungen zu ihren Skulpturen fällt auf, dass sie sich alle oder zumindest die meisten, innerhalb einer äußeren Hülle bewegen – ähnlich einem Kokon, den die Skulptur nicht verlässt, auch wenn diese noch so komplex erscheinen mag. Hat also jede Skulptur ihre äußere “Masterform“, an der sich alle Detailformen ausrichten?
TC: Nein, ich kann das so nicht bestätigen, wie Sie es beschreiben. Aber es gibt etwas Grundsätzliches, was man im Zusammenhang mit Oberflächen sagen kann. Wir lesen die Oberfläche von Gegenständen, wir sehen sie, weil Licht von ihren Oberflächen reflektiert wird und in unser Auge trifft, aber versuchen immer etwas zu lesen, was unter der Oberfläche ist – wir betrachten uns und sehen eine Platine von Informationen, aber im Grunde genommen, wollen wir wissen, was hinter dieser Oberfläche ist. Nehmen Sie z. B. ein Kleinkind, auf welche Art es manchmal auf dem Boden läuft, ganz vorsichtig, tastend – es traut dem Boden noch nicht so richtig. Ich glaube, es gibt einen psychologischen Druck, zu jeder Zeit zu wissen, was unter der Oberfläche ist – welche Energien, welche Kräfte, welche Substanzen die Welt tatsächlich ausmachen. Wenn Sie also sagen, die Oberfläche ist ein bisschen wie eine Hülle – ja klar ist sie eine Hülle – aber eine Oberfläche ist immer nur ein Portal zu allen anderen Qualitäten, die viel wesentlicher sind.
KD: Ihre Werke sind aus den unterschiedlichsten Materialien gearbeitet: Holz, Bronze, Stein, Edelstahl, Kunststoff etc. – da muss ja sicherlich dann je nach Material auch “produktionstechnisch“ ganz unterschiedlich herangehen werden.
TC: Für mich ist es im Moment am einfachsten, Skulpturen in Holz zu arbeiten, da kann ich sehr viel bauen, sehr viel mit erreichen – aber die Technik ist nur insoweit interessant, als ein Künstler das zum Ausdruck bringen kann, was er will. – Hat Jackson Pollock die Farbe gut getropft? Das wäre eine unsinnige Frage. Die Technik ist also von sehr untergeordneter Bedeutung. Wenn die Technik übergeordnet ist, dann werden die Sachen manieristisch.
KD: In einer ganzen Folge von Skulpturen lassen sich immer wieder Formen eines – ich beschreibe es mal so – energetisch verzerrten Kopfes bzw. einer Vielzahl dieser Köpfe erkennen, so z. B. bei “Wilde Relatives“, “Close Quaters“ oder auch “Points of View“. Warum dieser Kopf? Als der Teil des Menschen, der ihm seine schöpferischen Ideen gibt oder was hat es damit auf sich?
TC: Nun, wir Menschen sind – weil es für uns entwicklungsgeschichtlich anscheinend von existentieller Bedeutung war – darauf trainiert, in einem Material anthropomorphe Formen wieder zu erkennen. Wenn wir z. B. draußen in ein Gebüsch schauen, dann sehen wir darin auch menschliche Formen. Das ist aber nur ein Teilaspekt meiner Arbeit, bei der mich also die Frage interessiert: wo liegen die Grenzen zwischen Erkennbarkeit bzw. Wiedererkennbarkeit und abstrakten Formen. In diesen Skulpturen wechselt sich die Betrachtung von (wieder-)erkennbaren Formen ab mit der Konfrontation mit abstrakten oder unbekannten Formen.
KD: In anderen Skulpturen, z. B. “Caught Dreaming“ oder “In Frequencies“ wiederholen sich Formen, in dem diese multipel hintereinander gereiht, – verschachtelt oder um Achsen verdreht sind. Was steckt hinter dieser Strukturierung, hinter dieser speziellen Art der Formgebung? Geht es darum Bewegung im Statischen darzustellen oder um welche künstlerische Idee geht es dabei?
TC: Nein, darum ging es mir hierbei nicht. Schauen Sie – wir sind hier zu mehreren Personen in einem Raum, wir stehen in unklaren Beziehungen zueinander, da diese nicht offen ausgesprochen sind und alle diese verschiedenen Personen haben gleichzeitig die unterschiedlichsten Gedanken, die aber miteinander verwoben sind. Die Arbeit “Caught Dreaming“ ist eine Reflexion über diese Zusammenhänge.
KD: Zu “Caught Dreaming“ nun mal noch eine rein “produktionstechnische“ Frage – wurde dabei mit einer Art Schablonentechnik gearbeitet?
TC: In “Caught Dreaming“ sind drei Persönlichkeiten dargestellt und diese sind in der Tat jeweils mit einer Serie von Holzschablonen ausgearbeitet. Zwischen den Holzschablonen wurde dann Styropor eingetragen und dann wurde die ganze Oberfläche mit einem Acrylharz modelliert.
KD: In einem früheren Interview äußern Sie sich geradezu euphorisch, was die Entwicklungsmöglichkeiten der Bildhauerei für die Zukunft angeht und sagen dort weiter, dass die Bildhauerei bislang nur an der Oberfläche gekratzt hätte – nach hunderten um nicht gar zu sagen tausenden von Jahren menschlicher Objektkunst und einer Begrenztheit möglicher Grundformen: wo sehen Sie denn diese Entwicklungsmöglichkeiten?
TC: Ich glaube, wenn man die Entwicklung der Bildhauerei über die letzten 100 Jahre hinweg betrachtet – von der rein figurativen Bildhauerei im Europa der Jahrhundertwende bis hin zu dem, wo wir heute mit der Bildhauerei stehen – dann ist das schon eine unheimlich dynamische Entwicklung im Laufe derer man den Beziehungen zwischen Formen des Materials und der Sprache, der Begriffe, die wir haben, auf den Grund gegangen ist. Diese Beziehung ist natürlich etwas, das thematisch ausgeweitet werden kann. Ich finde, dass die Bildhauerei im Kern eine wunderbare und wichtige Alternative bietet zu unserer überwiegend industriell geprägten Welt bzw. zu dem, was Menschen normalerweise machen (was meistens schlicht und minderwertig ist). Das kann man dann natürlich nicht nur auf die Architektur, auf Möbel, auf Mode oder die Medien beziehen, sondern auch auf reelle Dinge wie z. B. Forstwirtschaft. Warum müssen die Wälder so langweilig sein – sie sind nicht tatsächlich langweilig, aber es gibt dort nur noch wenige Spezies, wenige Arten von Bäumen und Tieren. Es ist mittlerweile alles sehr vereinfacht, aber das nehmen wir nicht mehr wahr, weil wir das so schon seit tausenden von Jahren betreiben, so dass aus dem Wald mittlerweile eine harmlose, verarmte Geschichte geworden ist – warum soll sich ein Bildhauer nicht mit solchen Themen befassen, mit Agrar- und Forstwirtschaft oder warum nicht sogar mit einem Thema wie “Bildungssysteme“. Ich finde, die Bildhauerei hat in dieser Richtung noch sehr viel Potential.
KD: Sehen Sie ihre künstlerische Entwicklung eher, sich in diskreten Schritten oder sich in Sprüngen vollziehend?
TC: Bei mir hat sich das über die Jahre so entwickelt, dass ich meistens gleichzeitig an mehreren Themen oder Projekten parallel arbeite. Es kann dann aber durchaus sein, dass ich dann mal in einem Bereich nicht sofort weiterkomme, da muss ich dann pausieren, bis dort irgend etwas passiert – dafür geht es dann vielleicht in anderen Bereichen wieder schneller voran. Aber ich kann mich dann auch einfach mal zurückziehen und zeichnen, es gibt also keinen “Leerlauf“ in dem Sinne.
KD: Um dieses Interview etwas aufzulockern möchte ich ihnen an dieser Stelle gerne ein paar Stichworte nennen und Sie bitten, spontan zu sagen, was Ihnen dazu einfällt.
KD: Energie AC: Hat man (lacht) – hat man, wenn man sie hat.
KD: Jackson Pollock
AC: Großartiger Künstler!
KD: Gerhard Richter
AC: Großer Künstler, ehemaliger Professor der Kunstakademie Düsseldorf.
KD: Kitsch
AC: Keine Sache der Kunst.
KD: Jeff Koons
AC: Ja, bei aller kritischen Haltung gegenüber anderen Künstlern bin ich eher jemand, der dankbar ist für jeden Künstler. Koons zeigt uns etwas, was uns andere so nicht zeigen. Das mag uns nicht allen gefallen, aber mir es lieber, es gibt einen Künstler wie Koons, als dass es ihn nicht gäbe.
KD: Not macht erfinderisch.
AC: Das sagt man nur, wenn man es überlebt hat (lacht).
KD: Ich meine das vor dem Hintergrund, dass ich mich gefragt habe, mit was denn ein junger Bildhauer arbeiten muss, wenn er noch keinen Namen hat, noch nicht die Mittel hat – da muss er ja schon mit einfacheren Mitteln arbeiten.
AC: Nun, Sie sehen das an der Stelle vielleicht auch ein bisschen falsch. Es ist ja nicht so, dass man denkt: ich will ein Bildhauer werden, wie werde ich das, sondern es ist einfach so, dass man ein Interesse an etwas hat. Dass man erst einmal versucht, etwas zu lösen, mit dem, was man zur Hand hat, das ist auch heute noch so. Ich habe im Grunde genommen keine Ziele – ich versuche meine Arbeiten fortzusetzen und die Themen, die mich bereits seit Jahrzehnten interessieren, weiter zu entwickeln. Da ist kein Ziel dabei – wenn ich ein Ziel dabei hätte, dann wäre das schon vertan. Dann könnte ich nur noch auf dieses Ziel hinarbeiten und das wäre dann für mich vielleicht nicht mehr künstlerisch oder kreativ. Die Kunst bietet die Möglichkeit eine Reise anzutreten – jede Arbeit, die man anfängt, jede Zeichnung bietet Möglichkeiten, von denen man am Anfang noch gar nicht weiß, wohin diese einen führen werden und gerade das ist doch für einen Künstler das Spannende an einem Kunstwerk.
KD: Da stimme ich Ihnen sicherlich zu, aber ein Künstler ist doch in den Mitteln, die ihm zur Verwirklichungen seiner Ideen zur Verfügung stehen am Anfang sehr begrenzt. Er kann es sich z. B. nicht gleich leisten, sich eine aufwändige Gussform für eine künstlerische Idee herstellen zu lassen.
TC: Das muss er auch nicht, das wäre auch nicht angebracht. Wenn ich diese Möglichkeiten als junger Student alle gehabt hätte, ich hätte noch gar nicht gewusst, etwas damit anzufangen. Ich bin sehr froh, dass ich die Sachen, die ich gemacht habe, genau so gemacht habe, wie ich sie gemacht habe, weil sich dadurch die Dinge selbst entwickelt haben. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich selbst dazu gar nichts beigetragen habe.
KD: So, nun ein weiterer und bereits vielfach zitierter Spruch – “Ich suche nicht, ich finde!“ (Pablo Picasso, Anmerkung der Redaktion)
AC: Man sucht meistens – wenn man Glück hat, dann findet man auch etwas dabei. Suchende sind wir alle (lacht).
KD: Künstler, die behaupten, sie machen ihre Kunst nur für sich…
AC: … die haben einen guter Ansatz und ich denke, dass dies jeder gute Künstler im Kern auch tut. Wenn man sich als Künstler nicht “privat“ mit seiner Kunst beschäftigt, sich nicht nach den eigenen künstlerischen Bedürfnissen richtet, sondern bei seiner künstlerischen Tätigkeit andere Personen im Kopf hat, dann ist man als Künstler schon von vorne herein verloren – wir sind keine Designer, das ist kein Produkt, das man entwickelt. Das Problem in unserer heutigen Zeit ist nur, dass dieses notwendige “Sich-Privat-mit-Kunst-befassen“ in großem Widerspruch steht zur Veröffentlichung von Kunst, die dann in den Medien, in Museen, auf dem Kunstmarkt eine breite Öffentlichkeit erfährt. Man kann feststellen, dass es jetzt schon kritisch ist und man wird sehen, wie zukünftige Künstlergenerationen damit umzugehen wissen.
KD: Nun möchte ich noch auf ein anderes Thema zu sprechen kommen – ihren Skulpturenpark “Waldfrieden“. Sie haben in Wuppertal in einem mehrere Hektar großen Waldgebiet einen Skulpturenpark nebst Ausstellungspavillon errichtet. Ist dies ihr Zukunftsprojekt, eine Vorsorge für das eigene künstlerische Lebenswerk?
TC: Nein, der Skulpturenpark war mehr oder weniger ein Zufallsprodukt gewesen. Dadurch, dass das Gelände mitten in Wuppertal frei war, hatte es sich angeboten, das zu machen. Ich würde den Skulpturenpark gerne als ein Zentrum für Bildhauerei sehen. Im Moment ist es tatsächlich so, dass dort überwiegend meine Arbeiten zu sehen sind, weil sie das sind, was ich habe. Aber die Ausstellungen, die wir machen und unser Programm beziehen andere Künstler mit ein. Ich möchte gerne, dass es uns gelingt, zunehmend Arbeiten von anderen Bildhauern ausstellen oder installieren zu können.
KD: Viele ihrer Skulpturen sind im Park unter freiem Himmel den Einflüssen der Witterung ausgesetzt. Leiden ihre Kunstwerke nicht darunter?
TC: Haben Sie ein Auto? Dann wissen Sie, wie das aussieht, wenn es ein Jahr draußen steht. – Ja, die Skulpturen müssen natürlich ständig gepflegt und gewartet werden. Sie verändern sich sonst sehr schnell.
KD: Herr Prof. Cragg, Sie leben und arbeiten (wenn Sie nicht gerade an der Kunstakademie sind) in Wuppertal. Wieso Wuppertal?
TC: Weil ich dort meine Familie, meiner Frau und meinen Kinder habe, mit denen ich dort seit 1977 lebe und wo ich mich dann natürlich auch gerne aufhalte. Ich mag auch Wuppertal sehr gerne.
KD: Machen ihre Kinder auch Kunst?
TC: Nein.
KD: Hält Kunstmachen jung bzw. wie gehen Sie mit dem Thema Alter, dem Älterwerden um?
TC: Zunächst einmal kann man sich freuen, dass man älter geworden ist, insofern hat dieser Aspekt an sich schon etwas Positives. – Wenn man noch jung ist, denkt man noch, man muss immer größer, besser und besser werden. Wenn man dann älter ist, hat man eine bessere Übersicht – zeitlich wie räumlich. Ich bin eigentlich ein Mensch mit optimistischer Grundeinstellung, von einem positiven Gelingen überzeugt und habe noch sehr Vieles, was ich noch gerne umsetzen möchte. Ob Kunst jung hält? – Schon, sicherlich – aber das ist natürlich keine Garantie für Unvorhersehbares. Aber ich habe kein Problem mit diesem Thema umzugehen.
KD: Vielen Dank Prof. Cragg für dieses interessante Interview.
Ende des Interviews mit Prof. Anthony Cragg
__________________ Anmerkung der Redaktion: Prof. Cragg hat dieses Interview freundlicherweise in Deutsch mit uns geführt.
Zur Abrundung unseres Interviews mit Tony Cragg hier noch ein Video anlässlich der Ausstellung „Dinge im Kopf“ im Musum Küppersmühle (Duisburg)
Weiterführende Links:
Literaturauswahl:
“Anthony Cragg – Dinge im Kopf/Things on the Mind“ (Standort Stadtbücherei Düsseldorf: Rsm 1 Cragg Dinge)
“Tony Cragg – In and out of Material.” (Rsm 1 Cragg)
“Tony Cragg – Second Nature” (Rsm 1 Cragg Second)
Skulpturenpark Waldfrieden – Cragg Foundation (Wuppertal)
DIDIER VERMEIREN
27. OKT 2012 bis 17. FEB 2013
Diesen Samstag (27.10.2012) öffnet im “Skulpturenpark Waldfrieden“ der Tony-Cragg-Foundation in Wuppertal die Ausstellung „Didier Vermeiren“. Dies nahm die Redaktion von KunstDuesseldorf zum Anlass, sich die Ausstellung bereits vorab anzuschauen. Eingeladen dazu hatten der gastgebende Hausherr Tony Cragg sowie Didier Vermeiren, die beide bei dieser Preview anwesend waren.
Was zunächst auffällt, ist gar nicht mal künstlerischer Art: beide Künstler, sowohl der ausstellende Diedier Vermeiren (neben seiner eigenen künstlerischen Tätigkeit auch Professor an der Kunstakademie Düsseldorf), als auch Tony Cragg (Rektor selbiger Kunsthochschule und international renommierter Bildhauerkollege), wirken sehr „bodenständig“ und unprätentiös und heben sich dadurch sehr angenehm von dem ansonsten doch zeitweise eher schrillen Gehabe in der heutigen Kunstszene ab – und es wird deutlich: die beiden Künstler „ruhen“ auf festen Werten und klaren künstlerischen Positionen, die sie mit ihren Werken so auch authentisch nach außen tragen.
Die in der Ausstellung gezeigten bildhauerischen Arbeiten Vermeirens manifestieren geradezu dieses Insichruhen. Dies wird evident aus der direkten Anschauung heraus und bedarf keiner weiteren Erklärung. Der Sockel, der üblicherweise eine untergeordnete, dem Kunstwerk dienende Funktion hat, nämlich die, das Kunstwerk zu präsentieren, es darauf ruhen zu lassen, wird von Vermeiren selbst zum Kunstwerk erhoben. Vermeiren setzt sich mit dem Sockel als eigenständiges Kunstwerkes auseinander und sucht dabei auch immer wieder den Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ziel seines bildhauerischen Schaffens ist es zudem, durch das Wirken seiner Skulpturen den sie umgebenden Raum selbst mit einzubeziehen, eine Inkorporation des Raumes durch die Skulptur zu erreichen.
Mit dem Glaspavillon auf dem Gelände des Skulpturenpark “Waldfrieden“ wurde ein idealer Raum gefunden, eine solche Inkorporation des Raumes gelungen umzusetzen. Der Glaspavillon, der im Zuge der Umgestaltung des Geländes zum Skulpturenpark neu errichtet wurde, besticht durch seine klare und filigrane Architektur und lässt den Eindruck entstehen, man stünde im wahrsten (aber positiven) Sinne im Wald. Die ihn umgebenden Laubbäume filtern das einfallende Licht auf natürliche und angenehme Weise, so dass es einer künstlichen Beschattung nicht bedarf.
Gezeigt werden rund ein Dutzend Exponate unterschiedlicher Textur und Stofflichkeit, von glatten, flächigen Werken bis hin zu “handgreiflich“ verformten Quadern – von Holz über Gips bis hin zu Stoffgewebe. Einzelne Arbeiten wie die „Étude pour l’Urne“ erinnern mit ihrer, wenn auch nicht akribisch durchgearbeiteten Ornamentalik an ein korinthisches Säulenkapitell. Gerade die stärker verformten Skulpturen lösen im Betrachter den leider nicht zu erfüllenden Wunsch aus, dem aufkommenden haptischen Verlangen nachzugeben und sie zu berühren. Ganz puristisch wird es bei einem Kunstwerk, welches nur Sockel ist: ein Gestell, locker bespannt mit einem weißen Stoffgewebe – kein weiteres, es tragendes Kunstwerk. Tony Cragg dazu: „Dieser leere Raum über dem Sockel erzeugt doch eine ungeheuere Spannung!“.
Ihrer Leidenschaft für das Stoffliche, das Greifbare, verleihen beide Künstler auch über ihre Sprache Ausdruck: sehr gerne verwenden sie Begriffe wie „real“, „berühren“, „Qualität“. Mit dem Begriff „abstrakt“ und „Fiktion“ können sie dagegen nur wenig anfangen.
Die Ausstellung „DIDIER VERMEIREN“ beginnt am 27. Oktober und geht bis zum 17. Februar 2013.
Zum Abschluss einige Beispiele für Skulpturen von Tony Cragg, die im Park verteilt zu sehen sind.
Fotos Glaspavillon: Süleman Kayaalp
Fotos Außenbereich: Sven Blatt, Copyright: Sven Blatt
Mit dem Skulpturenpark „Waldfrieden“ hat die Tony-Cragg-Foundation einen „Leuchtturm der Kunst“ in die hügelige Landschaft von Wuppertal gestellt. Nach Restaurierung des historischen Baubestandes, Rekultivierung der Grünanlage und Errichtung des Glaspavillons wurde der Park im Jahre 2008 offiziell eröffnet. Zurzeit werden auf einer bewaldeten Freifläche von 5 ha zahlreiche Skulpturen – von Tony Cragg selbst, aber auch von weiteren namhaften Bildhauern der Moderne und Gegenwart wie Richard Deacon, Norbert Kricke, Wilhelm Mundt und Thomas Schütte präsentiert. Gegenwärtig wird an einer Erweiterung des Skulpturenparks inklusive zweier weiterer Ausstellungspavillons gearbeitet. Die Eröffnung des neuen Areals ist für das Frühjahr 2013 geplant.