Reihe: AUSSTELLUNGSREZENSIONEN AUF KUNSTDUESSELDORF.DE
KANDINSKY, MALEWITSCH, MONDRIAN UND DIE NICHT-FARBE – WEIß
von Meike Lotz
Ganz in Weiß… präsentiert sich die K20 Kunstsammlung ab Samstag zur großen Quadriennale Schau hier in Düsseldorf. Dazu trug sie hochkarätige Werke der drei Wegbereiter der Abstrakten Kunst, Kandinsky, Malewitsch und Mondrian, aus wichtigen Sammlungen der Welt wie aus der Tretjakow Galerie Moskau, dem Guggenheim Museum New York und dem Pariser Centre Pompidou u.a. zusammen.
„So eine Ausstellung, in dieser Qualität wird es in den nächsten zehn Jahren nicht mehr geben“ erklärt Museumsdirektorin Marion Ackermann und wird damit vermutlich Recht behalten. Die zahlreichen Neugründung von Museen vor allem in der Golf-Region und in den asiatischen Staaten verändern derzeit nicht nur die internationale Museumslandschaft, sondern stellen auch neue Fragen nach der Definition und Funktion von Museen.
Den Geschmack der Zeit hat die Architektur der Ausstellung jedenfalls schon mal getroffen. Weiß in Weiß sind die Gemälde der drei Künstler in Szene gesetzt. Luxuriös steht jedem Bild eine eigene weiße Wand zur Verfügung. Die Aufmerksamkeit des Betrachters richtet sich auf das einzelne Gemälde, in dem die verschiedenen Nuancen und Ausdifferenzierung der weißen Farbflächen sichtbar werden.
Und so führt die raumschiffähnliche Ausstellungsszenerie den Betrachter unmittelbar zum Thema der Museumspräsentation, die übrigens erstmalig die Farbe „Weiß“ und ihre Verwendung sowie Wirkung im Werk von Wassily Kandinsky, Kasimir Malewitsch und Piet Mondrian untersucht und damit ein neues wissenschaftliches Forschungsfeld öffnet. Alle drei Maler haben zu Beginn des 20. Jahrhunderts parallel zueinander Wege der Abstraktion entwickelt, bei denen die Nicht-Farbe „Weiß“ einen besonderen Stellenwert einnimmt: Sie wurde für die Künstler zum Symbol einer zukünftige Welt und sie nutzten sie für Ihre Versuche die vierte Dimension im Bild darzustellen (http://www.youtube.com/watch?v=kiT8G7pb2GA).
Die Vorstellung einer unsichtbaren Raumerweiterung und Existenz einer vierten Dimension war eng verbunden mit den damaligen physikalischen Entdeckungen, wie Einsteins Relativitätstheorie. Mehrdimensionale, unendliche kosmische und geistige Weiten schienen möglich und fanden ihren Ausdruck in den weißen Flächen der Avantgarde. Der Künstler schlüpfte in die Rolle des Sehers, dem es möglich war in die vierte Dimension, in die neue Welt zu blicken. So formulierte Kandinsky 1919 wegweisend zu seiner Kunst „Der weiße, freie Abgrund, die Unendlichkeit liegt vor uns“ – eine Metapher, die zum Titel der Ausstellung führte und sich dem Motto der Quadriennale„Über das Morgen hinaus“ zukunftsweisend anschließt.
Neben dem reinen Kunstgenuss der grandiosen Werke – auch das berühmte schwarze Quadrat ist in seiner Wiederholung von 1929 zu bestaunen – können sich die Besucher in vier Laboratorien in historischen Quellen und Diskursen über die Themen Okkultismus und Naturwissenschaften, Farbe, Film sowie Architektur informierten.
Die Ausstellung „Kandinsky, Malewitsch, Mondrian – Der weiße Abgrund Unendlichkeit“ eröffnet morgen und läuft bis zum 6. Juli 2014.
Und auch für die Sensibilisierung der Sinne ist gesorgt: Exklusiv für die Ausstellung hat der bekannte zeitgenössische Künstler Olafur Eliasson einen „Ausstellungsguide“, der besonderen Art entwickelt:
Und wer dann immer noch nicht genug hat, kann sich noch bis zum 22. Juni 2014 die Ausstellung „Kasimir Malewitsch und die russische Avantgarde“ in der Bundeskunsthalle in Bonn anschauen. Diese präsentiert mit über 300 Werken aus den Bereichen Malerei, Grafik und Skulptur die zentralen Schaffensphasen Malewitschs und zeigt die große Vielfalt seines Œuvres. Es reicht von den symbolistischen Anfängen über die frühen abstrakten Bildfindungen bis zu den figürlichen Darstellungen der späteren Jahre.
Reihe: AUSSTELLUNGSREZENSIONEN AUF KUNSTDUESSELDORF.DE
Malewitsch in 13 Kapiteln
Bonn widmet Malewitsch und der russischen Avantgarde eine gigantische Ausstellung
von Marianne Hoffmann
“Jede Ausstellung, die von einem Museum in ein anderes wandert, wird immer zu einer neuen Ausstellung. Es gibt neue Schwerpunkte, neue Werke und neue Sinnzusammen-
hänge.” Mit diesen Worten begrüßte Rein Wolfs, der Intendant der Bundeskunsthalle in Bonn, die anwesenden Medienvertreter zur Präsentation der in 13 Kapitel gegliederten Show des Erfinders des Suprematismus. Gerne wird Malewitsch auf das schwarze Quadrat reduziert. Man sucht dieses Werk in der Bonner Ausstellung vergeblich. Nur einige Skizzen weisen auf diese bedeutende Arbeit hin. Auch das „Weiße Quadrat auf weißem Grund“ (1915), das nicht einmal mehr mit den Farbkontrasten zwischen Vorder- und Hintergrund spielt, sucht man vergeblich.
Der Schwerpunkt dieser Ausstellung liegt auf der unglaublichen Vielfalt des umtriebigsten Künstlers, den Russland je hervorgebracht hat. In Bonn hat man nun die Möglichkeit, über 300 Gemälde, Grafiken, Architekturmodelle, Teller und Plakate aus allen Schaffensperioden zu sehen. Und das in 13 Kapiteln, die Moderne, den Impressionismus, Symbolismus, Fauvismus , Kubismus und Futurismus beleuchten, ohne didaktisch zu werden.Für diese Ausstellung stellten rund 25 internationale Museen und Privatsammlungen ihre Exponate zur Verfügung,damit man sich mit eigenen Augen von der ungeheuren Schaffenskraft Malewitschs überzeugen kann. Die Bundeskunsthalle kann unter anderem stolz darauf verweisen, dass sie bedeutende Werke aus der Tretjakow Galerie bekommen hat, die in Amsterdam nicht zu sehen waren.
Begrüßt wird man in der Bonner Ausstellung von dem „Selbstporträt in zwei Dimensionen“ (1915). In diesem Gemälde ist das „Schwarze Quadrat“ als Bild im Bild bereits als Zitat vorhanden. Dieses Bild, das auch das Plakat der Ausstellung ziert, wurde in Amsterdam auf den Kopf gedreht abgebildet, auch Malewitsch hängte es in einer Ausstellung seiner Werke 1927 in Berlin ebenfalls so. Die Bonner einigten sich auf die andere Variante. Beide waren von Malewitsch schon damals autorisiert. Weiter geht es mit Werken, von denen man nicht glauben mag, dass sie dem Pinsel Malewitschs entsprungen sind. Cézanne wäre das erste, woran man denken mag. Gleichwohl war es die russische Auseinandersetzung mit allem, was aus Frankreich kam. Das Werk mit dem Titel „ Landschaft mit drei roten Häusern“ entstand 1911. Malewitsch war zu dieser Zeit Mitglied der Russischen Künstlergruppe Karo-Bube. Im Kubofuturismus beschäftigte man sich mit dem Kubismus in Frankreich und dem Futurismus in Italien. Heraus kamen Werke ,die die spätere Entwicklung Malewitschs erahnen liessen, was man beim Bild „Der Schnitter“ von 1912 unschwer erkennen kann. Spannend ist auch Malewitschs Spiel mit Farben. Sind manche Werke in satten Rottönen gestaltet, zeigen sich andere in allen Facetten der Unfarbe grau, wie im „Leben im Grand Hotel“ von 1913. Das Werk von Malewitsch zeichnet sich durch eine breite stilistische Heterogenität aus. Immer wieder steht der Kunsthistoriker vor der Herausforderung, künstlerische Phasen zeitlich festzulegen.
Das Nebeneinander seiner Stile, seine Bauerndarstellungen zum Beispiel, sind nicht ohne die politischen Ereignisse in Russland und das Heranwachsen der Sowjetunion zu verstehen. Diese Sichtweise ist besonders von Bedeutung, wenn man auf sein Spätwerk blickt. Niemals kam es Malewitsch in den Sinn, seine gegenständliche Malerei in den Dienst des sozialistischen Realismus zu stellen. Vielmehr versuchte er weiterhin seine Formensprache mit figurativen Bildmotiven im Sinne des Suprematismus zu verbinden. Um seine Auseinandersetzung mit altrussischem Kulturgut zu zeigen, wurden in die Bonner Ausstellung drei bedeutende Ikonen aus dem 15. und 16. Jahrhundert integriert, die allesamt aus dem Staatlichen Russischen Museum in St. Petersburg geliehen wurden. Auch die Farbgebung der Ikonen lässt sich in vielen bedeutenden Werken Malewitschs wiederfinden. Ebenso greift er Bildmuster der religiösen Ikonen auf, wie etwa den Nimbus oder das Kreuz. Dies alles zeugt vom Werk eines künstlerischen Denkers. Sein weitreichender Einfluss, sowohl als Denker als auch als Künstler, wird durch die Konfrontation mit bedeutenden Zeitgenossen deutlich. Immer wieder mischen sich Werke von El Lissitzki, Michail Larionow, Wladimir Tatlin, Ilja Tschaschnk, Gustav Klucis, Olga Rosanowa und anderen zwischen die Arbeiten des Großmeisters.
Im Frühjahr 1927 reiste Malewitsch nach Warschau und nach Berlin, wo er auf der Großen Kunstausstellung 70 seiner Werke zeigen konnte. Bei seiner Rückreise im Juni 1927 ließ er seine Bilder und Manuskripte in Berlin zurück. Zur gleichen Zeit wurde in der Sowjetunion unter Stalins Herrschaft der Ruf nach einer verständlichen, dem Volk zugewandten Kunst immer lauter. Seine Bilder wären in der Sowjetunion nicht mehr sicher gewesen. Sie wurden in Berlin von einem deutschen Architekten in Sicherheit gebracht. Nach seiner Rückkehr nach Moskau wandte sich der Theoretiker und Lehrer Malewitsch erneut der Malerei zu. Jetzt ist es wieder die Bauerndarstellung, die an sein Werk von 1910 anschließt. „Die wichtigste Bedeutung für unsere Zeit haben jetzt gegenstandslose Sachen oder Halbbilder, wie meine Bauern. Sie wirken am einschneidendsten.“
Bauernbilder durchziehen Malewitschs gesamtes künstlerisches Schaffen. Seine zeitgleichen Portraits, auch sie sind in Bonn zu sehen, zeigen deutliche stilistische Anleihen an die Kunst der Renaissance. Eine Überraschung für den Besucher. Vor allem, wenn man bei näherer Betrachtung feststellt, dass die beherrschende Farbskala dieser Portraits die suprematistischen Farben Schwarz, Weiß, Rot und Gelb sind und das schwarze Quadrat als Signatur dient und damit „den Keim aller Möglichkeiten“ bezeichnet. Die Ausstellung in Bonn firmiert unter dem Titel: „Kasimir Malewitsch und die russische Avantgarde“ mit Werken aus den Sammlungen Chardschijew und Costakis. Beide Männer waren leidenschaftliche Sammler der Kunst der russischen Avantgarde. Nikolai Chardschijew ist es zu verdanken, dass außer bedeutenden Werken auch historische Dokumente, angefangen bei den frühesten Manifesten , Flugblätter, Fotos, Bücher, Kataloge gesammelt wurden. Ohne ihn wäre es nicht möglich gewesen, die Geschichte der Avantgarde in Russland nachzuzeichnen. Costakis dagegen war Sammler aus Leidenschaft. Durch sein großbürgerliches Umfeld hatte er die Mittel dazu. Er nahm sich Chardschijew als Berater, nachdem er auf den Konstruktivismus aufmerksam geworden war. Er reiste durchs Land und tat Werke auf, die schon als verschollen galten. Er hatte eine Spürnase , die ihm eine beinahe enzyklopädische Sammlung bescherte. 1960 öffnete er eine Wohnung in Moskau und machte seine Sammlung zugänglich. Sie wurde zum Treffpunkt für Moskaus Intellektuelle.
1993 wollte Chardschijew mit seiner Frau nach Amsterdam auswandern. Doch er musste einen Teil der Sammlung n Moskau lassen. Heute wird die Sammlung gemeinsam mit dem Stedelijk Museum und dem Russischen Staatlichen Archiv verwaltet. Costakis plante 1977, nach Griechenland auszuwandern. Auch er musste einen Teil der Sammlung in Moskau lassen. Sie befindet sich in der staatlichen Tretjakow Galerie. Der zweite Teil der Sammlung wurde 1997 vom griechischen Staat erworbenn und befindet sich heute im Museum für zeitgenössische Kunst in Thessaloniki. Beiden großen Sammlern würde es gefallen, wenn sie nach Bonn reisen könnten, um zu sehen, dass große Teile ihrer Sammlung hier nun wiedervereint sind.
Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem Stedelijk-Museum in Amsterdam und der Tate Modern in London entstanden. In Amsterdam zog die Ausstellung gut 280 000 Besucher in ihren Bann. Bonn ist die zweite Station, ehe die Schau an die Themse zieht. Diese Ausstellung wird ein Publikumsmagnet. Es ist der in der Vergangenheit arg gebeutelten Bundeskunsthalle sehr zu gönnen.