„Otto Dix – Der böse Blick“
Ausstellung in der K20 Kunstsammlung Düsseldorf bis 14. Mai 2017
Schön inszenierte Dix-Schau – einen Blick riskieren, lohnt sich!
Von Meike Lotz
Anders als die Dix-Ausstellungen im vergangenen Jahr zu seinem 125. Geburtstag, beleuchtet die Düsseldorfer Ausstellung im K20 vorwiegend die Zeit zwischen 1922 bis 1925. Diese drei Jahre verbrachte Otto Dix nämlich in Düsseldorf – und fand nicht nur seine große Liebe Martha, seine spätere Ehefrau hier, sondern konnte auch beruflich einiges erreichen. Im Oktober 1921 kam er mittellos aus Dresden, wo er es nicht einmal zu einer Einzelausstellung geschafft hatte. Im Rheinland, speziell von der ermutigenden Düsseldorfer Kunst-und Galerieszene der Goldenden 20er Jahre, erhoffte er sich eine materielle Sicherung durch Aufträge und Ausstellungsmöglichkeiten. Und tatsächlich Düsseldorf brachte ihm neben dem privaten auch das berufliche Glück. Dix erhielt hier die Freiheit sich künstlerische weiterzuentwickeln – und veränderte seine kubistische und expressive Formensprache hin zu seinem der Neuen Sachlichkeit zugewandten unverkennbaren Porträtstil. Mit bösem Blick malte er seine Zeitgenossen und diese standen reihenweise an, um sich genau in dieser direkten Art porträtieren zu lassen. Dix selbst verstand sich dabei als Realist „ich muss alles mit eigenen Augen sehen, um dann zu bestätigen: so ist das gewesen und nicht anders.“ Seine Vorstellung, dass das „Außen“ Ausdruck des „Inneren“ ist, zeichnet sich deutlich in seiner Porträtkunst wider.
Den Anlass für die Düsseldorfer Ausstellung „Otto Dix – Der böse Blick“ hat das Bildnis der Galeristin Johanna Ey gegeben, das in der Ständigen Sammlung des K20 zu finden ist. „Jeder Mensch hat eine ganz spezielle Farbe, die sich auf das ganze Bild auswirkt“, so Dix und inszeniert seine Gönnerin und Förderin im leuchtenden violetten Kleid in majestätischer Pose. Johanna Ey hatte sich nämlich ganz besonders für Dix und seine Karriere eingesetzt – zeitweise wohnte er sogar in einem Nebenzimmer ihrer Galerie.
Die Düsseldorf Zeit wurde übrigens zu seiner Produktivsten, es entstanden über 400 Aquarelle, zahlreiche Gemälde und der Kriegszyklus, der in der Ausstellung auch zu sehen ist. Er läutet den Beginn der Ausstellung ein und ist bezeichnend für Dix‘ Erfahrungen im 1. Weltkrieg. Der 50teilige Zeichenzyklus hängt links in der ‚Grabbehalle‘ und ist kuratorisch hervorragende inszeniert.
Wie in einem Schützengraben begegnet der Besucher im engen Gang den Kriegserfahrungen von Otto Dix und kommt in Berührung mit dem Leid und Elend jener Zeit – auch atmosphärisch. Die abgedunkelte Lichtsituation notwendig für die Präsentation der Zeichnungen wird hier in doppelter Weise genutzt und die tief abgehangenen Decken tragen wunderbar zur trüben Stimmung bei. Fast befreiend, der Krieg ist zu Ende, geht es dann weiter durch die große, luftige Eingangshalle des K20 in den zweiten Teil der Ausstellung. Hier findet sich der Besucher wieder auf einer in Grautönen gehaltenen Straße – und geht den Weg des Künstlers Dix nach. An der ersten Kreuzung beginnt Dix Zeit in Düsseldorf. Rechts und links Häuser, Fenster, Räume, Einblicke wie auf dem futuristischen Bild von Umberto Boccioni „Die Straße dringt ins Haus“ (1911) inszeniert.
Die einzelnen Räume sind in verschiedenen Farben, bordeaux rot, hell lila, olivgrün gehalten und stehen als Sinnbilder der verschiedenen künstlerischen Phasen von Otto Dix wie zum Beispiel 1919/20 die noch kubistische Formensprache, 1920 die steifen Porträts bis hin zu den Arbeiten der Neuen Sachlichkeit 1923. Die Düsseldorfer Zeit endet an der zweiten Kreuzung der Straße (des Mittelgangs).
Dort hängt auch das eindrucksvolle Porträt der Tänzerin Anita Berber, die als Verkörperung des weiblichen Bohémiens, der Femme fatale der Weimarer Republik galt. Dix malt sie im feurigen Rot auf rotem Hintergrund. An der Detailgenauigkeit dieses Bildes lässt sich auch Dix besondere Technik ablesen, bei der er sich an der Malerei der Dürer-Zeit orientierte. Er verwendete Lasuren, die vom Maler umfangreiche Vorbereitung wie Detailstudien oder Vorzeichnungen erfordern, da später große Änderungen nicht mehr möglich sind. Dix nannte diese Technik den „strengen Stil der Malerei“ und zeitgenössische Kunstbetrachter nannte diese Lasurtechnik „sachlich“, da die langsame Arbeitsweise die „sachlichen“ Details wohl erst hervorbrachte.
Bis ins Detail entblößt Dix also seine Portraitierten: Kunsthändler, Familie und nicht zu übersehen, die zahlreichen Prostituierten. Dix seziert sie mit seinem bösen Blick oder entlockte ihnen den bösen Blick wie der „Dame mit Hund“ von 1922. Auf dem Aquarell mit Kreide, ergänzte Dix witziger Weise einen Streifen Alupapier, das übrigens während der Inflation als Notgeld verwendet wurde, vermutlich war Dix Streifen jedoch ein Stück eines Verpackungsmaterials z.B. für Zigaretten.
Dank der durchdachten Ausstellungsarchitektur, kann der Besucher sich wie Dix auf Motivsuche begeben. Von den Häusern auf die Straßen blicken oder voyeuristisch in die Räume eines Freudenhauses lugen. Deutlich wird dabei, dass Dix, nicht nur das Elend der Weimarer Republik gemalt hat, sondern dass er in der Zeit bzw. die Zeit selbst gelebt hat.
Er hat sich selbst zum Dandy und Bürgerschreck ernannt, er wollte um jeden Preis berühmt werden – und es ist ihm gelungen. Er gilt bis heute als der berühmt-berüchtigte Porträtist, der seine Modelle jenseits jedweder gängiger ästhetischer Normen kritisch und „mit bösem Blick“ in Szene setzte.
Der Ausstellungskatalog kostet im Museumshop 34,- EUR. Weitere Infos zur Ausstellung
https://www.kunstsammlung.de/otto-dix.html
Die Ausstellung wird im Anschluss in der Tate Liverpool gezeigt. („Portraying a Nation: Germany 1919 – 1933, 23. Juni- 15. Oktober 2017