Beobachtungen aus der Kunstszene Düsseldorf
Wenn man die Düsseldorfer Kunstszene in den letzten Monaten verfolgt hat, dann kann man durchaus eine gewisse Aufbruchstimmung wahrnehmen. Es scheint aber nicht so zu sein, dass diese neue „Pace“ von den großen, etablierten Häusern am Ort ausgeht. Auch wenn diese mit einigen Blockbuster-Ausstellungen für Aufsehen gesorgt haben – man denke nur an Andreas Gursky, an El Greco und an die im K20 noch laufende Ausstellung „Die Bildhauer“, mit der sich auch die Düsseldorfer Kunstakademie gerade inszeniert – diese haben aus wirtschaftlichen Zwängen heraus das Tempo eher gedrosselt, in dem sie gut laufende Ausstellungen durch Verlängerungen zeitlich gestreckt haben. Aber „die Basis“ – so jedenfalls mein persönlicher Eindruck – hat spürbar die Schlagzahl erhöht: es werden neue Großevents (wie das asphalt Sommerfestival im vergangen Jahr) aus dem Boden gestampft, es werden Bunker (nicht nur einer) und alte Schraubenfabriken „annektiert“, man geht für die Kunst sogar in den Knast und aus einem „Glashaus“ wird nun kurzer Hand die Rezeption eines „Gasthofes“ zur Umsetzung eines urbanen Gesamtkunstwerkes. Natürlich gab es zwischenzeitlich auch Abgänge zu verzeichnen – so wandelte man letztes Jahr z. B. nicht mehr auf der Suche nach guter Kunst in Bilk.
Diese Entwicklung blieb natürlich auch im Web nicht ohne Folgen. Zahlreiche Websites, Blogs und Portale haben sich mittlerweile dem regionalisierten Thema Kunst in Düsseldorf angenommen, darunter auch wir. Manche davon tragen allerdings die beiden Begriffe mehr aus SEO-Gesichtspunkten in ihrem Namen als dass sie sich dem Thema selbst in einer solchen Breite annehmen, dass es ihre Namensgebung rechtfertigen würde. Das sei aber nur am Rande bemerkt – gerade auch im Web wird derzeit sehr viel gute Arbeit geleistet – sozusagen an der perisphere ;-) . Interessant dabei auch zu beobachten, dass staatlich organisierte Aktivitäten hier immer mehr in den Schatten gestellt werden durch Leute, denen es einfach nur Spaß macht an dem Thema zu arbeiten, ohne immer gleich auf die Uhr oder in den Geldbeutel zu schauen. Ich denke dabei an einen Kulturserver NRW, der zwar sicherlich vielen Künstlern früher einmal überhaupt erst die Möglichkeit geboten hat, im Web aufzutreten. Aber wie bezeichnend ist es, wenn dieser dann kürzlich einen Hilferuf durch die Landschaft mailt, man möge sie doch per Voting unterstützen, damit der Dienst nicht eingestellt werden muss. Auch das Kulturamt Düsseldorf fällt in letzter Zeit öfters durch eine gewisse Trägheit auf (so dauerte es geschlagene 4 Monate, bis mein Künstlerprofil in „Künstlerleben“ eingestellt war). Dafür ist aber zurzeit eine geradezu explodierende, erfolgreiche, sehr kreative und flexible Privatinitiative in Sachen Kunst festzustellen.
Das Ganze, so positiv es auch sein mag, hat allerdings (wie so vieles Andere eben auch) seine Schattenseite: für den einzelnen Künstler wird es immer schwieriger in diesem Umfeld wahrgenommen zu werden. Wenn dieser es nicht versteht, sich mit anderen Kollegen zusammen zu tun, mit anderen zu kooperieren, Netzwerke zu bilden, dann geht er – in einer Stadt mit gefühlt mehr Kunstschaffenden als Kunstrezipierenden – von der Öffentlichkeit unbemerkt unter. Den Kunstschaffenden und Kunstveranstaltern steht nur immer dieses eine Publikum, dieses eine Einzugsgebiet und dieses eine Kunstjahr zur Verfügung. Wem es da nicht gelingt, bei dieser steigenden Schlagzahl genügend Aufmerksamkeit zu erzeugen, der gerät ins Abseits. Da haben Künstler als Einzelkämpfer nur noch geringe Chancen – es sei denn, sie sind längstens etabliert u./o. verfügen über ein ungemeines “Alleinstellungsmerkmal“. Ebenfalls schwierig dürfte es bei diesem bereits extrem gefüllten Düsseldorfer Eventkalender sein, noch irgendetwas Neues mit Aussicht auf größeren Erfolg zu etablieren. Irgendwann ist auch die größte Aufnahmebereitschaft eines Kunstpublikums einfach mal erschöpft. Dass wir hier langsam so etwas wie eine Sättigungsgrenze erreicht haben, kann man nicht zuletzt auch daran erkennen, dass Veranstalter immer erfindungsreicher werden müssen, was das Konzept der jeweiligen Veranstaltung angeht, um genügend Besucher dafür zu interessieren. Insbesondere auch der Ort des Events gewinnt immer mehr Bedeutung für dessen Erfolg: wenn es kein außergewöhnlicher Ort ist – man denke an Tunnels, Parkhäuser, Bunker, Gefängnisse, alte Schraubenfabriken oder alte Backfabriken, Gewächshäuser oder gar die asphalt-Landschaft einer ganzen Stadt – dann schaffen es diese Veranstaltungen erst gar nicht über die Wahrnehmungsschwelle der Medien – da kommt dann keine Presse, geschweige denn ein WDR oder Center-TV eben mal vorbei, wenn keine besondere Story geboten wird und der Event nicht die (medien-) kritische Masse erreicht. Auch sprachlich muss man sich immer Auffälligeres einfallen lassen: man führt für das deutsche Ohr ganz merkwürdig klingende und ganz und gar nicht sprechende Namen ein wie „Boui Boui Bilk“, aus einer “HPZ Stiftung“ wird ein “Weltkunstzimmer“, aus einem “Glashaus“ wird die “Rezeption“ eines “Gasthofes“, der bespielt wird mit Musik von “weltAusstellung“ unter Mitwirkung eines “Volksavantgardechors“.
Aber auch das klassische Galerie-Geschäft dürfte zurzeit Konkurrenzdruck verspüren. Hier drängen zunehmend Branchen auf den Markt, die klassischerweise per se über das ideale und zahlungskräftige Klientel verfügen: Rechtsanwaltskanzleien, Personalberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften an der Königsalle und anderen Orts. Die kunsthistorische Expertise inklusive Doktortitel wird hierfür entweder eingekauft oder ist bereits verschwägert vorhanden. Diese Quereinsteiger machen das aber z. T. richtig gut – die Vernissagen z. B. sind oft besser inszeniert als bei so manch einem namhaften und alteingesessenen Galeriehaus, wo zur Ausstellungseröffnung noch nicht einmal der Künstler vorgestellt wird und man diesen als Besucher nur über extreme Aufmerksamkeit mutmaßlich ermitteln kann. Wer hier nicht wandlungsfähig und einfallsreich ist und sein Galerie-Geschäft weiterhin nach althergebrachten Mustern führt, der wird in diesem Metier nicht mehr lange bestehen können, es sei denn, er zieht sich ganz auf den institutionellen Sammler zurück (wenn er sich das leisten kann). Als weiteres Beispiel für einen gelungenen Quereinstieg sei an dieser Stelle auch jene Unternehmerin genannt, die mit ihrer Galerie im Hafen ihrer Kunstleidenschaft nachgeht und deren Gondel nun vom Kai in Richtung Venedig zur Biennale hin abgelegt hat.
Vergleichsweise komfortabel hat es aber derzeit derjenige, der als angehender Künstler an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. Wer dort erst einmal zum Studium zugelassen wurde, dem geht es heute so gut wie selten zuvor. Bereits den Studienanfängern wird eine Aufmerksamkeit – auch medial – zuteil, wie noch nie. Eine durch ein Auswahlverfahren relativ klein gehaltene Anzahl von Studenten wirkt fast schon wie ein Monopol auf die Nachfrage des Kunstmarktes. Angefangen bei den Massen an Besuchern, die zum alljährlichen „Rundgang“ zum Eiskellerberg pilgern, über die zig berichtenden Blogs, Zeitungen bis hin zu Rundfunk und TV – ganz zu schweigen von den Galeristen, die um die Gunst der nachrückenden neuen Künstlergeneration buhlen. Das führt dann dazu, dass man z. B. von einer Bildhauerin mittlerer Semesterzahl auf Nachfrage einen stolzen vierstelligen Betrag für eine Kleinskulptur genannt bekommt. In welch anderem Studiengang ist so etwas möglich? Bereits die Zulassung zu einem Studium an der Kunstakademie gilt heute als Gütesiegel, was den Galeristen bzgl. seines eigenen Urteilsvermögens entlastet und andererseits genügend „Gebietsschutz“ vor den Autodidakten bietet. Darüber hinaus hat sich die Kunstakademie auch zunehmend für Gastspiele ihrer Studenten in der Peripherie geöffnet – sei es in einem Bunker, einem eigens dafür umgewidmeten Tunnelabschnitt oder in Kunstvereinen.
Für uns bleibt es jedenfalls spannend, diese Entwicklungen in der Düsseldorfer Kunstlandschaft weiterhin intensiv zu verfolgen und darüber zu berichten. Themen gibt es für uns dadurch jedenfalls genug. Wir laden auch jeden Interessierten dazu ein, sich an diesem Diskurs zu beteiligen – wir sind ja eine offene Plattform, bei der sich jeder gerne (konstuktiv) einbringen kann.
Sven Blatt, Herausgeber KD