Galerie VOSS:
Frank Bauer – „Die Gelassenheit der Dinge“
17.11.2017 – 13.01.2018
Frank Bauers Gesamtwerk entsteht und entwickelt sich in engster Verbindung mit dem großen Interesse des Künstlers an der Fotografie, was sich in mehr als der Hälfte seines Bücherbestandes widerspiegelt.
Bauers Verwendung eines Episkops zur Übertragung von Bildern auf die Leinwand stellt ihn dabei in eine bedeutende Traditionslinie: Von zwei seiner Lieblingsmaler, Vermeer und Caravaggio, vermutet man, dass sie die Camera obscura für ihre Zwecke nutzten; solch virtuose Maler wie Canaletto und Sir Joshua Reynolds taten es ihnen gleich.
Die Erfindung der Fotografie erweiterte die vorhandenen Möglichkeiten dramatisch, jedoch stritten zahlreiche Maler ihren eigenen Einsatz von Fotografie als visuelles Hilfsmittel rigoros ab. Bauer hingegen zelebriert sie: Tatsächlich sind es keine Gemälde von Personen oder Szenen, die er unter Zuhilfenahme von Fotografien schafft – vielmehr sind es die Fotografien selbst, die das Sujet bilden.
Er bediente sich im Laufe der Jahre verschiedener Arten von Kameras, „von Handys mit niedriger Auflösung bis zu hochwertigen Rollfilmkameras“, doch nahm er die meisten seiner Fotos mit einer Schlitzverschlusskamera auf, der Nikon FE2. Dabei ist der Künstler nie darauf aus, einen perfekten Moment einzufangen oder eine technisch einwandfreie Fotografie zu produzieren. Unvollkommene Exemplare, oft verschwommen, manchmal über- oder unterbelichtet, stellen eine weitaus interessantere Herausforderung an die handwerklichen Fähigkeiten des Künstlers dar. Eine BauerFotografie bezieht ihre Stärke und Authentizität nicht allein aus ihrer Genauigkeit in der Reproduktion, sondern gerade auch aus ihrer Nonchalance.
Das erste Stillleben, das einen entscheidenden Wendepunkt in Bauers Werk darstellte, war die Studie seines eigenen Frühstückstisches – ein Motiv, auf das er immer wieder zurückgekommen ist und kürzlich in einer Serie von zwölf bemerkenswerten kleinformatigen Gemälden resultierte. Selbst wenn eine formalere Studie eines Freundes oder einer Freundin die Grundlage für eine Arbeit bildet, scheint dem oder der Porträtierten nicht bewusst zu sein, dass er oder sie fotografiert wird.
Auch in den Frühstückstisch-Studien ist nicht der gerichtete und unserer Zusammenkunft harrende Tisch das Thema, sondern das zufällige Ambiente eines gerade abgeschlossenen Essens.
Formal haben Bauers Gemälde sicherlich weitaus mehr mit Fotorealismus als mit Popästhetik gemeinsam. Auch als Erwiderung auf den gestischen Exzess des Abstrakten Expressionismus verherrlichte diese neue Bewegung banale amerikanische Motive wie Imbisse, Wohnwagen, Shops und chrombeladene Automobile. Der erste bedeutende Verfechter des Fotorealismus, der Autor und Galerist Louis K. Meisel, nannte einmal drei notwendige Voraussetzungen, um Teil dieser Bewegung zu sein: „1. Der Foto-Realist gebraucht die Kamera und die Fotografie, um Informationen zu sammeln. 2. Der Foto-Realist gebraucht ein mechanisches oder halbmechanisches Instrument, um die Informationen auf die Leinwand zu übertragen. 3. Der Foto-Realist muss die Fertigkeit besitzen, das abgeschlossene Werk fotografisch erscheinen zu lassen.“ Frank Bauer erfüllt diese Kriterien offensichtlich mit Bravour, seine Verwendung eines Episkops zur Übertragung des fotografierten Bildes auf die Leinwand inbegriffen.
Im Geiste ist Bauers Ansatz Hoppers wehmütigen, melancholischen Szenarien um einiges näher als denjenigen der Fotorealisten. So ist die Darstellung des deutschen Künstlers von zwei Personen in Hotelzimmer (2008) verblüffend hopperesk, auch was die Verteilung der Figuren auf unterschiedliche Flächen der Komposition betrifft. Die Stimmung gleicht der in Hoppers eigenem Hotel Room (1931) sowie zahlloser anderer Werke des Amerikaners, in denen das Individuum in einem klaustrophobischen Raum isoliert ist oder, im Falle von Paaren, die Gestalten merkwürdig abgetrennt voneinander wirken. Viele von Bauers Werken durchzieht ein sonderbares, düsteres Gefühl des Unheimlichen – besonders auffällig in Nächtlicher Garten (2010), doch selbst die Geburtstags-Stillleben von 2010 und 2013 erwecken den Anschein, als bergen sie dunkle Geheimnisse. Obwohl sich Bauer seiner Nähe zu Edward Hopper bewusst ist, war es der italienische Maler Giorgio Morandi, der ihm als Spiritus Rector diente, als er mit seinen Stillleben begann. Er war tief von Morandis Stringenz beeindruckt, den feinen Tonabstufungen, seiner ausgewogenen Komposition. Doch gab es auch andere Bezüge. Bauer selbst erinnert sich noch lebhaft an einen Höhepunkt seiner umherziehenden Kindheit: Gemeinsam mit seinen Eltern besuchte er die Pinakothek in München und sah dort erstmals Werke von Dürer und Cranach. Später wurde Caravaggio sein Hauptbezugspunkt, neben einem buntgemischten künstlerischen Kontingent, zu dem Vermeer, Manet, Alex Katz, Balthus und die Minimalistin Agnes Martin zählten.
[David Galloway]