Atemwende/Unschärfe – ein Klangerlebnis der besonderen Art
Autor: Sven Blatt
Vergangenen Samstag fand im Gebäude der HPZ (Hans-Peter-Zimmer-Stiftung), dem zentralen Austragungsort des asphalt-Festivals die Aufführung der beiden Kompositionen “Atemwende“ bzw. “Unschärfe“ statt. Bei erstem Teil verwendete der Komponist Bojan Vuletic Gedichte von Paul Celan als “Vorlage“ für seine Serie der “Re-composing Art“, bei der “Unschärfe“ standen 8 Gemälde von Gerhard Richter Pate. Die Kompositionen wurden von einem New Yorker Ensemble, bestehend aus dem Trompeter Nate Wooley und dem MIVOS String Quartet (Olivia De Prato, Joshua Modney, Victor Lowrie, Mariel Roberts), vorgetragen.
Da es ein Anliegen der Veranstalter ist, und was wohl für das Festival auch namensgebend war, das ist, den Raum und die Orte einer Stadt in ihr Konzept mit einzubeziehen, also statt eines Festivals, ein Stadtfestival auf die Beine zu stellen. So haben sich die Initiatoren des Festivals mit dem Gebäude der HPZ – einer alten Brotfabrik – bislang vielen besser bekannt unter dem Namen CON-SUM – dann nur folgerichtig für einen Hauptspielort weg von den etablierten Häusern hin zu authentischen Orten der Stadt entschieden. Dieser Ort steht beispielhaft für viele andere Orte der Stadt, die im Wandel der Zeit eine Funktionstransformation erfahren und dadurch auch einen neuen, anderen Lebensraum schaffen.
Wer dieses Gefühl etwas aus-
kosten möchte, der sollte etwas früher kommen und das schöne Hinterhofidyll des “asphalt-Paradies(es)“ mit der Möglichkeit zur bodenständigen Verköstigung genießen. Zum Aufführungsraum gelangt man dann “stilgerecht“ über eine Behelfstreppe in Gerüstbauweise.
Der Raum selbst ist nur Raum: karg, abgebrochene, fehlende Gebäudeteile, Reste einer Deckenverkabelung, einfache Bestuhlung, minimalistische Beleuchtung – man fragt sich unweigerlich, ob vom Abriss bedroht – für eine avantgardistischen Musikinszenierung sicherlich ein möglicher, wenn nicht gar idealer Aufführungsort.
Nun zur Aufführung selbst: der erste Teil “Atemwende“ ist besetzt mit Erster und Zweiter Geige (De Prato bzw. Modney), Trompete (Nate Wooley), Bratsche (Lowrie) sowie Cello (Roberts). Beginnt “Atemwende“ zunächst noch zaghaft, mit einem Schlieren, einem Summen, einem An- und Abschwellen und in einer gewissen Harmonie, wird dem Zuhörer ziemlich schnell vor Ohren geführt: das hier ist keine temperierte Wohlfühlmusik, sondern hier geht um die musikalische Nachempfindung einer vielschichtigen Dichterpersönlichkeit mit all ihren Höhen und Tiefen.
Bojan Vuletic hatte mir bereits in einem Vor-
ab-Interview hierzu erklärt, dass er einen
gewissen Keil in dem Menschen Paul Celan wahrgenommen hat und dass er dies durch seine Komposition und die spezielle Besetzung dieses Werkes (die Trompete als Keil zwischen den Streichinstrumenten) zum Ausdruck bringen möchte. So ist es auch immer wieder die Trompete, die – in Momenten, in denen man als Zuhörer fast der nahenden Gefahr unterliegt, sich zurück zu lehnen – stört, verstört, irritiert. Obwohl die Streichinstrumente die Trompete immer wieder zu besänftigen, sie einzuholen versuchen, sie hierzu teilweise sogar fast zärtlich umspielen, gelingt es ihnen nur in ganz kurzen Momenten. Es bleibt eigentlich immer bei einem Nebeneinander: auch wenn rhythmisch immer wieder nach Gemeinsamkeiten bei einzelnen Motiven gesucht wird – dies wird dann meist durch Disharmonien in den Akkorden konterkariert. Der Großteil der Komposition ist gekennzeichnet von einer Zerrissenheit, eines Getriebenseins, einer Suche, die aber nur selten in Momente der Zufriedenheit und Glück zu münden scheint. Zeitweise hatte ich das Bild einer Dichterschreibstube mit ihren diversen Nebengeräschen in der Stille vor Augen, in die sich Celan – in seine Gedanken versunken – zurückgezogen hat. Vuletic räumt seiner Besetzung erheblichen improvisatorischen Spielraum ein. So werden die Instrumente in all ihren möglichen Spielarten ausgereizt: Streichinstrumente werden zeitweise zu reinen Resonanzkörpern, die nur das Schleifen der Bögen auf ihrem Holz akustisch verstärken. Die Trompete wird zur röchelnden Röhre, zum Beatbox-Instrument, zum Dicheridoo australischer Ureinwohner. Dies verlangt dem Ensemble höchste Anstrengung ab und wird von diesem dennoch virtuos gemeistert. Es dürfte spannend sein, wie diese Aufführung heute (19h30) bei der Aufführung in der Berger Kirche klingen wird.
Im zweiten Teil verhandelt Vuletic dann acht Gemälde von Gerhard Richter (Wald, Blumen, Zwei Fiat, Gehöft & Schnee, Ausschnitt, Arena und Akt an einer Treppe), allerdings in veränderter Besetzung – die Trompete fehlt. Dies ist jedoch für mich auch schon der einzig hörbare Unterschied zum ersten Teil der Aufführung. Ansonsten bleibt es – zumindest für meiner Ohren – stilistisch bei den gleichen Mustern: kleine Motivfragmente werden immer wieder durch “Nebengeräusche“ unterbrochen, für meinen Geschmack zu oft über den Einsatz von Pizzicato-Passagen realisiert. Ich interpretiere das als den Versuch, das übergeordnete Thema – die Unschärfe – heraus zu arbeiten oder auch als das schrittweise Verarbeiten des Gesehenen, quasi in einzelne, akustischen Fragmente zerlegt. Wer mit der Erwartungshaltung in diese Aufführung gegangen war oder noch gehr, die einzelnen Gemälde über die Musik wieder zu erkennen, der wird enttäuscht sein, denn es handelt sich nicht um eine Vertonung von Gemälden, wie mir Vuletic im Interview bereits erklärte, sondern um seine subjektiven musikalischen Assoziationen, die er persönlich beim Betrachten der Gemälde von Gerhard Richter hat. Entsprechend fehlen in dieser Komposition dann auch die akustischen Klischees, die man nur allzu gerne mit gewissen Bildmotiven in Verbindung bringen möchte (z. B. Vogelgezwitscher beim “Wald“). Das ist vielleicht dann auch der Unterschied zwischen dem Celan-Bezug bzw. dem Richter-Bezug: der Bezug zu den Gemälden von Richter ist konkreter als das Psychogramm von Celan – bei Richter neigt man dazu, sich automatisch ein Bild zu machen (insbesondere unterliegt man als bildender Künstler wie ich es bin, dieser Versuchung) und das läuft dann zwangsweise ins Leere. Auch wenn ich mich vermutlich nicht ganz von dieser Erwartungshaltung habe freimachen können -ich hätte mir eine klarere Unterscheidbarkeit zwischen den Teilen “Atemwende“ und “Unschärfe“ gewünscht, vielleicht auch durch einen größeren Unterschied in der Besetzung. Aber auch zwischen den einzelnen Bildern der “Unschärfe“ waren musikalische Unterschiede nur schwierig identifizierbar. Ohne Pausen zwischen den einzelnen Bildern wäre der Zuhörer etwas orientierungslos und überfordert gewesen. Für die Darstellung der “Unschärfe“ mag das in Ordnung gehen. Damit werden die verwendeten Bilder oder ihre Reihenfolge dann allerdings auch austauschbar.
Insgesamt war die Aufführung ein künstlerisches Gesamterlebnis der besonderen Art und eine willkommene Abwechslung für meine Hör- und Wahrnehmungsgewohnheiten. Ich hoffe meine Leserschaft neugierig gemacht zu haben und den ein oder anderen dazu angeregt zu haben, sich heute (08. Juli) die zweite Aufführung in der Berger Kirche ab 19h30 anzuschauen.
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Lesen Sie zur „Atemwende/Unschärfe“ auch unser Interview: TEIL 2 mit dem Komponisten Bojan Vuletic.
Einen Einblick in die Vorbereitung dieses Festivals gibt der Festivalleiter Bereich Musik im Interview: TEIL 1.
Atemwende/Unschärfe – ein Klangerlebnis der besonderen Art
Autor: Sven Blatt
Gestern Abend fand im Gebäude der HPZ (Hans-Peter-Zimmer-Stiftung), dem zentralen Austragungsort des asphalt-Festivals die Aufführung der beiden Kompositionen “Atemwende“ bzw. “Unschärfe“ statt. Bei erstem Teil verwendete der Komponist Bojan Vuletic Gedichte von Paul Celan als “Vorlage“ für seine Serie der “Re-composing Art“, bei der “Unschärfe“ standen 8 Gemälde von Gerhard Richter Pate. Die Kompositionen wurden von einem New Yorker Ensemble, bestehend aus dem Trompeter Nate Wooley und dem MIVOS String Quartet (Olivia De Prato, Joshua Modney, Victor Lowrie, Mariel Roberts), vorgetragen.
Da es ein Anliegen der Veranstalter ist, und was wohl für das Festival auch namensgebend war, das ist, den Raum und die Orte einer Stadt in ihr Konzept mit einzubeziehen, also statt eines Festivals, ein Stadtfestival auf die Beine zu stellen. So haben sich die Initiatoren des Festivals mit dem Gebäude der HPZ – einer alten Brotfabrik – bislang vielen besser bekannt unter dem Namen CON-SUM – dann nur folgerichtig für einen Hauptspielort weg von den etablierten Häusern hin zu authentischen Orten der Stadt entschieden. Dieser Ort steht beispielhaft für viele andere Orte der Stadt, die im Wandel der Zeit eine Funktionstransformation erfahren und dadurch auch einen neuen, anderen Lebensraum schaffen.
Wer dieses Gefühl etwas aus-
kosten möchte, der sollte etwas früher kommen und das schöne Hinterhofidyll des “asphalt-Paradies(es)“ mit der Möglichkeit zur bodenständigen Verköstigung genießen. Zum Aufführungsraum gelangt man dann “stilgerecht“ über eine Behelfstreppe in Gerüstbauweise.
Der Raum selbst ist nur Raum: karg, abgebrochene, fehlende Gebäudeteile, Reste einer Deckenverkabelung, einfache Bestuhlung, minimalistische Beleuchtung – man fragt sich unweigerlich, ob vom Abriss bedroht – für eine avantgardistischen Musikinszenierung sicherlich ein möglicher, wenn nicht gar idealer Aufführungsort.
Nun zur Aufführung selbst: der erste Teil “Atemwende“ ist besetzt mit Erster und Zweiter Geige (De Prato bzw. Modney), Trompete (Nate Wooley), Bratsche (Lowrie) sowie Cello (Roberts). Beginnt “Atemwende“ zunächst noch zaghaft, mit einem Schlieren, einem Summen, einem An- und Abschwellen und in einer gewissen Harmonie, wird dem Zuhörer ziemlich schnell vor Ohren geführt: das hier ist keine temperierte Wohlfühlmusik, sondern hier geht um die musikalische Nachempfindung einer vielschichtigen Dichterpersönlichkeit mit all ihren Höhen und Tiefen.
Bojan Vuletic hatte mir bereits in einem Vor-
ab-Interview hierzu erklärt, dass er einen
gewissen Keil in dem Menschen Paul Celan wahrgenommen hat und dass er dies durch seine Komposition und die spezielle Besetzung dieses Werkes (die Trompete als Keil zwischen den Streichinstrumenten) zum Ausdruck bringen möchte. So ist es auch immer wieder die Trompete, die – in Momenten, in denen man als Zuhörer fast der nahenden Gefahr unterliegt, sich zurück zu lehnen – stört, verstört, irritiert. Obwohl die Streichinstrumente die Trompete immer wieder zu besänftigen, sie einzuholen versuchen, sie hierzu teilweise sogar fast zärtlich umspielen, gelingt es ihnen nur in ganz kurzen Momenten. Es bleibt eigentlich immer bei einem Nebeneinander: auch wenn rhythmisch immer wieder nach Gemeinsamkeiten bei einzelnen Motiven gesucht wird – dies wird dann meist durch Disharmonien in den Akkorden konterkariert. Der Großteil der Komposition ist gekennzeichnet von einer Zerrissenheit, eines Getriebenseins, einer Suche, die aber nur selten in Momente der Zufriedenheit und Glück zu münden scheint. Zeitweise hatte ich das Bild einer Dichterschreibstube mit ihren diversen Nebengeräschen in der Stille vor Augen, in die sich Celan – in seine Gedanken versunken – zurückgezogen hat. Vuletic räumt seiner Besetzung erheblichen improvisatorischen Spielraum ein. So werden die Instrumente in all ihren möglichen Spielarten ausgereizt: Streichinstrumente werden zeitweise zu reinen Resonanzkörpern, die nur das Schleifen der Bögen auf ihrem Holz akustisch verstärken. Die Trompete wird zur röchelnden Röhre, zum Beatbox-Instrument, zum Dicheridoo australischer Ureinwohner. Dies verlangt dem Ensemble höchste Anstrengung ab und wird von diesem dennoch virtuos gemeistert. Es dürfte spannend sein, wie diese Aufführung heute (19h30) bei der Aufführung in der Berger Kirche klingen wird.
Im zweiten Teil verhandelt Vuletic dann acht Gemälde von Gerhard Richter (Wald, Blumen, Zwei Fiat, Gehöft & Schnee, Ausschnitt, Arena und Akt an einer Treppe), allerdings in veränderter Besetzung – die Trompete fehlt. Dies ist jedoch für mich auch schon der einzig hörbare Unterschied zum ersten Teil der Aufführung. Ansonsten bleibt es – zumindest für meiner Ohren – stilistisch bei den gleichen Mustern: kleine Motivfragmente werden immer wieder durch “Nebengeräusche“ unterbrochen, für meinen Geschmack zu oft über den Einsatz von Pizzicato-Passagen realisiert. Ich interpretiere das als den Versuch, das übergeordnete Thema – die Unschärfe – heraus zu arbeiten oder auch als das schrittweise Verarbeiten des Gesehenen, quasi in einzelne, akustischen Fragmente zerlegt. Wer mit der Erwartungshaltung in diese Aufführung gegangen war oder noch gehr, die einzelnen Gemälde über die Musik wieder zu erkennen, der wird enttäuscht sein, denn es handelt sich nicht um eine Vertonung von Gemälden, wie mir Vuletic im Interview bereits erklärte, sondern um seine subjektiven musikalischen Assoziationen, die er persönlich beim Betrachten der Gemälde von Gerhard Richter hat. Entsprechend fehlen in dieser Komposition dann auch die akustischen Klischees, die man nur allzu gerne mit gewissen Bildmotiven in Verbindung bringen möchte (z. B. Vogelgezwitscher beim “Wald“). Das ist vielleicht dann auch der Unterschied zwischen dem Celan-Bezug bzw. dem Richter-Bezug: der Bezug zu den Gemälden von Richter ist konkreter als das Psychogramm von Celan – bei Richter neigt man dazu, sich automatisch ein Bild zu machen (insbesondere unterliegt man als bildender Künstler wie ich es bin, dieser Versuchung) und das läuft dann zwangsweise ins Leere. Auch wenn ich mich vermutlich nicht ganz von dieser Erwartungshaltung habe freimachen können -ich hätte mir eine klarere Unterscheidbarkeit zwischen den Teilen “Atemwende“ und “Unschärfe“ gewünscht, vielleicht auch durch einen größeren Unterschied in der Besetzung. Aber auch zwischen den einzelnen Bildern der “Unschärfe“ waren musikalische Unterschiede nur schwierig identifizierbar. Ohne Pausen zwischen den einzelnen Bildern wäre der Zuhörer etwas orientierungslos und überfordert gewesen. Für die Darstellung der “Unschärfe“ mag das in Ordnung gehen. Damit werden die verwendeten Bilder oder ihre Reihenfolge dann allerdings auch austauschbar.
Insgesamt war die Aufführung ein künstlerisches Gesamterlebnis der besonderen Art und eine willkommene Abwechslung für meine Hör- und Wahrnehmungsgewohnheiten. Ich hoffe meine Leserschaft neugierig gemacht zu haben und den ein oder anderen dazu angeregt zu haben, sich heute (08. Juli) die zweite Aufführung in der Berger Kirche ab 19h30 anzuschauen.
04.07. Kunstsammlung NRW: 10 Jahre KPMG-Kunstabend
In der Reihe KPMG-Kunstabende wird jeden ersten Mittwoch im Monat ab 18.00 Uhr ein abwechslungsreiches Programm mit verschiedenen Themenführungen und Veranstaltungen präsentiert.
Anlässlich des nun zehn Jahre währenden Engagements von KPMG für die Kunstsammlung lassen Marion Ackermann und Kai Andrejewski, Regionalvorstand West von KPMG, am 4. Juli im K21 (20.00 Uhr) die wichtigsten Momente der Kooperation Revue passieren und wagen einen Blick in die Zukunft. Wie immer am KPMG Kunstabend haben die Häuser der Kunstsammlung bei freiem Eintritt von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr geöffnet. Zahlreiche Führungen und ein Vortrag zur Ausstellung „Fresh Widow“ finden parallel im K20 an diesem Abend statt: Margarete Pratschke, Kunsthistorikerin aus Zürich, zieht Vergleiche zwischen Fensterbildern der Kunstgeschichte und digitalen Benutzeroberflächen.
TEIL 2 des Interviews mit Bojan Vuletic, musikalischer Leiter des “asphalt-Festivals“
Während uns Bojan Vuletic, künstlerischer Leiter MUSIK des „asphalt-Sommerfestivals“, in TEIL 1 seines Interviews einen tiefen Einblick in die Vision und in die Entstehungsphase des Festivals gewährt hat, geht es nun im TEIL 2 im Speziellen um den Festivalbeitrag von Bojan Vuletic selbst – den Kompositionen „Atemwende“ sowie „Unschärfe“ – letztere wird zum Festival ihre Uraufführung haben.
KunstDuesseldorf (KD): Herr Vuletic, Sie steuern mit den beiden Kompositionen „Atemwende“ sowie „Unschärfe“ selbst einen Teil zum musikalischen Programm des Festivals bei. Worum geht es bei diesen Kompositionen?
Vuletic : Das ist ein Gedanke, der mich im Kern bereits seit mehreren Jahre verfolgt. Ab einem bestimmten Punkt, so etwa 2005, da sind bestimmte Sachen mit mir künstlerisch passiert, wo mir klar wurde, was sind eigentlich meine künstlerischen Wurzeln, was interessiert mich an der Kunst im Allgemeinen. Dabei ist mir klargeworden, dass es so ca. 15 Gestalten gibt aus den verschiedensten Bereichen – gar nicht mal so viele aus der Musik – die mich unglaublich beeinflusst haben. Das sind Menschen wie Paul Celan, wie Gerhard Richter , das ist Picasso oder das ist ein Paul Strand im fotografischen Bereich, um mal ein paar zu nennen, die unglaubliche Wirkung auf mich hatten und immer noch haben – und da kam der Gedanke auf, ich würde gerne meine völlig subjektive Wahrnehmung der Werke dieser Künstler in irgend eine musikalische Form bringen. Im vorletzten Jahr ist mir auch klar geworden, es muss auch eine Reihe sein, die habe ich dann „Re-Composing Art“genannt und mit Art ist jetzt nicht nur der bildende Bereich gemeint, sondern wirklich das gesamte Spektrum, was es von Musik bis hin zur Poesie gibt. Die Idee ist eigentlich simpel formuliert: ich nehme diese Künstler und ihre Werke in ihrer subjektiven Wirkung auf mich und übersetze diese und die Summe meines Wissens über diese Künstler in Musik als ein abgeschlossenes neues Werk. Das ist aber nicht so, dass ich jetzt quasi eine Begleitmusik zu einem bestimmten Gemälde komponiere, sondern es ist ein völlig abgeschlossenes künstlerisches Werk, das aber jeweils immer ganz klar dem jeweiligen Künstler zuordenbar ist. Die einzelnen Teile – es sind Werke zwischen 40 und 60 Minuten – beziehen sich ganz konkret auf bestimmte künstlerische Werke. Das ist überhaupt nicht der Versuch jetzt etwas quasi eins zu eins umzukomponieren, sondern es geht darum, welche Seiten in meinem Körper angeschlagen werden, wenn ich z. B. ein Gedicht lese oder ein Bild von Gerhard Richter sehe. Das hat dann dazu geführt, dass ich den ersten Teil des Zyklus in 2011 komponiert habe, der heißt „Atemwende“ – neun Gedichte von Paul Celan . Das hatte Uraufführung im „ISSUE Project Room“ in New York, was eine wichtige Institution ist für neue Musik. Was mich dort sehr interessiert, ist, dass da sowohl Sachen aus der klassischen neuen Musik als auch aus der völlig freien improvisatorischen Szene stattfinden und das sind eigentlich zwei Sachen, die mir sehr wichtig sind – beide. So gibt es in meinen Werken auch Teile der Improvisation und natürlich auch völlig auskomponierte Teile. „Atemwende“ ist ein Stück für Streichquartett und Trompete. Man kann sich das so vorstellen: ich nehme einen gewissen Keil in dem Menschen Paul Celan wahr und das hat dann dazu geführt, dass ich in der Streichquartett-Trompete-Situation – von links beginnend mit 1. Geige, 2. Geige, dann sitzt in der Mitte diese Trompete, wie so ein Keil in diesem Streichquartett und dann kommen Bratsche und Cello – dass ich das dann quasi so auch in der Besetzung umgesetzt habe.
Der zweite Teil dieser „Re-Composing Art“-Reihe heißt „Unschärfe“, nach Bildern von Gerhard Richter. Es handelt sich dabei jedoch um völlig unterschiedliche Bilder, also nicht nur um die Unschärfe, wie man sie von seinen nach Fotografien gemalten Bildern her kennt, sondern auch um andere, wo ich ebenso das Prinzip der Unschärfe wiederentdecke. Die „Unschärfe“ wird dieses Jahr dann Uraufführung während des Festivals haben – am 07.07. – und wird am 08.07. ein zweites Mal im Rahmen des Festival aufgeführt werden – dann in der Berger Kirche, aber wieder mit den gleichen Musikern aus New York.
KD: Diese quasi musikalischen Übersetzungen von zum einen Poesie und zum anderen von Gemälden – basieren diese nur auf deinen subjektiven Wahrnehmungen dieser Werke oder sind hier auch andere Quellen eingeflossen, wie z. B. Bekundungen der Künstler selbst zu ihren Werken?
Vuletic: Es ist so, dass ich schon die Summe meines Wissens über diesen oder jenen Künstler dabei einfließen lasse. Manchmal bin ich dabei wählerisch und exklusiv – ich habe z. B. seit 2 Monaten die DVD des Gerhard Richter Films bei mir zu Hause, die habe ich nach den ersten 2 Minuten wieder ausgemacht, das wollte ich irgendwie – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt, ich habe gerade geschrieben – nicht sehen. Ich habe speziell für Gerhard Richter, also auf die Uraufführung bezogen, relativ viel recherchiert. Von ihm selbst gibt es ja nur relativ spärliche eigene Aussagen zu seinen Kunstwerken. Er sagt ja ganz klar, die Kunst muss auf den Menschen wirken und dann wäre es – mit meinen eigenen Worten und Wahrnehmung jetzt ausgedrückt – eher kontraproduktiv, zu viel über seine eigene Kunst zu reden. Ich stehe im bei dieser Aussage auch sehr nahe. Deswegen ist es schwer, von ihm Zitate zu finden. Wenn er allerdings etwas sagt, dann ist er in seinen Äußerungen sehr präzise. An dem, was er sagt – da spiegelt sich dann auch diese unglaubliche Akribie und Perfektion – also da kann man erkennen: das ist ein ganz klarer Kopf (ich hoffe, ich tue ihm da jetzt mit diesem Satz wie ich ihn gesagt habe nicht irgendwie Unrecht). Ich habe natürlich auch über ihn gelesen, was ich so bekommen konnte – man muss auch immer auf die Quellen achten, wer es schreibt. Ich fand es auch unglaublich erhellend, dass er in seinen Zitaten nicht so explizit ist. Er sagt bestimmte Sachen konkret, präzise, aber eigentlich ist es so, wenn man dann ein paar seine Sätze gelesen hat, dann kann ich erst einmal gar nicht weiter lesen, dann muss ich diese erst mal auf mich wirken lassen und darüber nachdenken, was könnte das jetzt implizieren auf seine Bilder hin. Also er ist schon sehr impliziert und das ist etwas, was mir auch sehr nahe liegt und deshalb finde ich auch die Streichquartett-Besetzung für sein Stück sehr gut, weil – Ideen können dadurch nur angedeutet werden ohne sie explizit zu formulieren und dass man trotzdem in diesem Kontext vier Spieler hat, die monofon, manchmal auch mehrstimmig spielen, dass die so zu sagen alle in ihrer Phrasierung eigen sind, eigen sein können, weil es meistens eine völlige Polyfonie gibt und deswegen ist das ganz schön.
KD: Haben Sie noch vor, sich die Gerhard Richter DVD anzuschauen?
Vuletic : Sicherlich, natürlich – aber ich nehme an, das wird wohl erst sein, nach dem ich die letzte Note zu dem Stück geschrieben habe.
KD: Gibt es Unterschiede bei dieser Art der musikalischen Verarbeitung zwischen Malerei und Poesie bzw. wo liegen die Gemeinsamkeiten? Sind Sie musikalisch an die Malerei anders herangegangen als an die Poesie?
Vuletic : Ich möchte diese Frage etwas anders beantworten: wenn ich ein Gedicht lese, das mich anspricht, das mich berührt oder das mich verstört, dann entsteht auch sofort eine Reaktion in meinem Körper, ich sehe Bilder, ich höre Musik, bestimmte Sachen passieren da … und das geht mir genau so, wenn ich ein Bild sehe, wenn es mich in irgend einer Form verstört sag ich jetzt mal – im positiven wie oder auch im negativen Sinne.
KD: Also rufen im Prinzip beide Kunstformen, Poesie und Malerei gleichsam gewisse Emotionen hervor?
Vuletic : Nicht nur Emotionen. Wenn ich “Bild“ sage, dann meine ich das wörtlich: es entstehen Bilder in mir. Wenn ich ein Gedicht lese und es entsteht ein Bild in meinem Kopf, dann ist dies sicherlich nicht völlig präzise, dieses Bild, aber es hat so eine bestimmte Stärke. Es passiert manchmal auch, dass ich dann assoziativ einen Klang wahrnehme oder eine bestimmte Art von kleinem Motiv. Das hört sich jetzt vielleicht etwas blöd an, aber das kann ich auch gar nicht steuern. Umgekehrt passiert es mir, wenn ich Bilder von Gerhard Richter sehe, dass dann wieder auf einer anderen Ebene etwas passiert, teilweise fallen mir dann z. B. bestimmte Sprachfetzen ein. Ich glaube, das ist gar nicht mehr trennbar. In dem Augenblick wo das sozusagen auf mich wirkt in meinem Kopf und meinem Bauch oder wo auch immer in meinem Körper so eine assoziative Ebene existiert – wahrscheinlich im Hirn – macht es was mit mir… und dann ist es auch vielleicht nicht nur ein Bild, sondern vielleicht kriege ich sogar Gänsehaut. Ich glaube, das geht eigentlich allen gleich, bin ich überzeugt, nur manchmal ist es nicht so klar, kann man es nicht so klar deuten. Deswegen ist es für mich erst einmal kein Widerspruch. Ich habe sogar auch ein Prosatext für so eine Rekomposition in Planung. Dieser Prosatext, das ist schon eine sehr schwierige Art, weil er natürlich sehr explizit ist, ein durchgehender Text im Vergleich zu einem abgeschlossenen Gemälde. Das wird sicherlich noch eine große Herausforderung sein, aber sogar das ist dann auch möglich, wenn er mich berührt.
KD: Bei den Bildern von Gerhard Richter, wird da auch eines dabei sein aus seinem familiären Umfeld – ich denke da gerade an das Porträt seiner Tochter?
Vuletic : Nein, das Porträt seiner Tochter ist nicht dabei … der Akt, der die Treppe herunterschreitet, ist dabei…oder sagen wir so…er ist jetzt noch dabei – ich bin mir noch nicht ganz sicher – das Werk ist ja gedacht als eine Einheit, als eine abgeschlossene Gesamtkomposition über mehrere verschiedene Bilder und in diesem Moment zweifele ich, ob der Akt in diesem Kontext funktioniert, aber er ist eigentlich geplant. Ich sage jetzt mal, es sind eher die nicht ganz so bekannten Bilder von Gerhard Richter dabei, die mich jetzt berühren… und das ist ganz lustig: als ich die Bilder ausgewählt hatte – ich hatte erst einmal so zwei Dutzend im Blick und das hat sich so ein bisschen reduziert – da habe ich mich immer öfter dann entschieden für die – ich sage einmal….einen Tick unscheinbareren …unscheinbar ist jetzt das falsche Wort… die Bilder, die nicht so spektakulär sind trifft es vielleicht besser. Dann kam dann so ein Moment während der Recherche – es gibt ja diesen „Atlas“ von Gerhard Richter, worin er viele verschiedene Fotos aufbewahrt, die seinen Bildern zu Grunde liegen und da kann man z. B. sehen, welches Foto von einer Auswahl von mehreren er für ein Gemälde verwendet hat und dann war da eines dabei, das war wirklich schön und pittoresk und bereits für sich genommen als Foto ein Kunstwerk … das hat er dann nicht genommen und ich habe das Gefühl, er hat sich dann bewusst für das … ja, nicht langweiligste … sagen wir mal… das unscheinbarste dieser Vieren entschieden und hat dann seine Magie da reinrutschen lassen. Und tatsächlich passt das so ein bisschen zu meiner Auswahl seiner Bilder.
KD: Wird man bei der Aufführung der Musik dann die der Komposition zu Grunde liegenden Bilder zu sehen bekommen?
Vuletic : Nein.
KD: Der Zuhörer wird nicht wissen, um welche Gemälde es sich handelt?
Vuletic : Doch, natürlich. Es wird ein Programm geben, darin werden die einzelnen Stücke durchnummeriert und das jeweilige Bild genannt sein. In dem Werk gibt es ein Stück, wo zwei Gemälde Gerhard Richters die Grundlage für waren, das sind „Schnee“ und „Gehöft“. Die passen für mich perfekt zusammen. Ich kann mir nicht vorstellen, das eine einzeln zu sehen in einem Bildband ohne das andere – in dem Bildband, den ich habe, sind diese beiden Bilder auch genau nebeneinander vorzufinden – das wird auf jeden Fall kommuniziert. Ich denke daran, eine eher unscheinbare Möglichkeit zu schaffen, dass man sich die Bilder vor oder nach der Aufführung – natürlich nicht im Original – anschauen kann, aber während es passiert, steht erst mal nur die Musik da und ich möchte ja auch nicht den Bildern im Weg sein. Die Bilder sind ja für sich abgeschlossen – wenn ich oder der Zuschauer ins Museum geht, dann braucht er nicht noch eine Begleitmusik.
KD: So, nun mal noch eine eher allgemeinere, auf die Künste insgesamt und auf ihr Verhältnis untereinander bezogene Frage. Heute scheint es zumindest in Deutschland so zu sein, dass die verschiedenen Spielarten der Kunst eher isoliert neben einander stehen, dass also ein echter Diskurs nicht mehr oder nicht mehr in dem Maße stattfindet, wie das früher einmal der Fall war, wo sich z. B. der Maler regelmäßig in Schriftstellerrunden begeben hat, um sich dort über die Themen der Zeit auszutauschen. Wie sehen Sie das?
Vuletic : Also ich wünsche mir auf jeden Fall mehr… mehr Austausch, Streit, Diskussion zwischen den Künstlern aus den unterschiedlichsten Sparten. Aus meiner Perspektive sehe ich das so: diese Institutionalisierung, die stattgefunden hat, hat in deren Folge wiederum zu einer gewissen Spezialisierung auf das jeweilige Fachgebiet geführt…wenn z. B. jemand Jazz studiert, dann studiert er am Konservatorium so ein bisschen wie in einer Luftblase sag ich jetzt mal und parallel versucht er seine Fähigkeiten im Jazz-Bereich auszuleben. Es findet aber aus meiner Erfahrung heraus sehr wenig Austausch statt, sei es mit einem Schauspieler oder einem Tänzer, teilweise noch nicht einmal zwischen den Musikern verschiedener Stilrichtungen.
KD: Woran liegt das? Ist Kunst heute zu unpolitisch? Geht es den Künstlern heute zu sehr um sich selbst?
Vuletic : Ich glaube, den Künstlern ging es schon immer erst einmal um sich selbst… also einem Picasso, dem ging’s um sich selbst … der hat gesagt „ich suche nicht, ich finde“, der stolperte quasi über seine Werke … also ein Künstler ist per se in gewisser Form egomanisch, weil er, bevor er irgendwas gemacht hat, bereits an sich glaubt – das muss auch so sein und das ist jetzt auch nicht negativ gemeint.
KD: Aber, das trifft auch nicht auf jeden Künstler zu. Es gibt da schon Künstler, die selbstkritischer sind als vielleicht jetzt das “Paradebeispiel“ Picasso.
Vuletic : Ja, vielleicht nicht auf alle, aber ein gewisser Überglaube an sich selber ist auch einfach notwendig – das ist ja eine unglaubliche Arbeit, das ist ja ein künstlerischer Entwicklungsprozess, ein langer, langer Weg, der nie aufhört und da braucht ein Künstler schon einen großen Glauben an sich selbst . Ich denke, dass das nie anders sein wird und nie anders war. Aber ich glaube, was allen wirklich gut tun würde, ist, wenn man sich tatsächlich mal inspirieren ließe, in Gesprächen, in anderen Institutionen, in einem Museum, wenn man Musiker oder Theaterschaffender ist … weil es ja fast albern ist, in der Kunst Grenzen zu ziehen, weil, wenn jemand Theater macht, dann muss er sich auch das ganze Bühnenbild überlegen, die ganze Wirkung, auch die Porträts, wenn jemand ausgestellt ist, wenn jemand gerade etwas spricht, das ist ja wie ein Porträt – und umgekehrt als bildender Künstler, z. B. wenn ich mir ihre Bilder hier anschaue – Sie bringen Bewegung als Element in ihre Bilder rein – dann spielt da wiederum die Darstellung, die Performance eine Rolle in einem Bild, wenn man es neben den 2 oder 3 Dimensionen auch noch schafft, die Zeitskala mit einzubeziehen. Es ist also eigentlich absurd in der Kunst Grenzen zu ziehen.
KD: Und genau das wollen Sie ja auch eigentlich mit ihren Festival befördern – den Austausch und den Dialog der Künste untereinander.
Vuletic : Ja richtig, das trifft es genau auf den Punkt.
KD: Das war ein schönes Schlusswort für unser Gespräch, vielen Dank.
Vuletic : Sehr gerne.
_______________________ Ende des zweiten und letzten Teils des Interviews mit Bojan Vuletic.
Wir von KunstDuesseldorf sind nun sehr gespannt darauf, zu sehen und zu hören, wie dies dann bei dem bald beginnenden Festival konkret seine Umsetzung finden wird. Wir wünschen dem aspalt-Festival jedenfalls viel Erfolg bei dieser Premiere.
Zur Premiere des „asphalt“-Sommerfestivals Düsseldorf 2012
KunstDuesseldorf.de hatte anlässlich des “asphalt“-Sommerfestivals, welches erstmals imJuli in Düsseldorf stattfindenden, den Komponisten Bojan Vuletic – einer der beiden Festivalleiter und selbst mit einem Programmpunkt am Festival Beteiligten – zu Gast. Er war so freundlich, uns und unseren Lesern ein Interview zu diesem neuen Highlight in der Düsseldorfer Kulturszene zu geben.
KunstDuesseldorf (KD): Herr Vuletic – zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, uns ein paar Fragen zu “asphalt“ zu beantworten, wir sind uns sicher, das wird bei unseren Lesern auf großes Interesse treffen. Wie ist es zur Idee zu diesem Festival gekommen?
Vuletic: Die Grundidee geht zurück auf den Regisseur und Schauspieler Christof Seeger-Zurmühlen, der bereits seit 8 Jahren an verschiedenen Bühnen Düsseldorfs und mit seiner eigenen Theatercompany per.Vers tätig ist. Er war bereits auf vielen anderen Festivals überwiegend in Frankreich und fand es schön, wenn in Düsseldorf im Sommer insbesondere im Bereich Theater in verschiedenen Räumen der Stadt etwas passiert und nicht nur in den Theaterhäusern selbst, um so den Raum der Stadt quasi neu zu deuten. Besucher sollen die Stadt dabei mit neuen Augen sehen lernen, die Perspektive, in der sie ihre Stadt erleben, soll sich ändern. Bei mir ist es ähnlich: ich liebe die Intensität eines guten Festivals. Im Kontext eines Festivals schaut man sich z. B. auch mal Sachen an, die man sich ansonsten vielleicht nicht ansehen würde. Wir haben ein tolles Publikum in Düsseldorf, aber nicht immer das passende Festival dazu. Düsseldorf hat tolle Festivals, ganz klar, aber diese sind meist ausgerichtet auf ein bestimmtes Genre, eine Sparte oder sogar auf eine bestimmte Epoche – nimmt man z. B. das Schumannfest. Unsere Intension ist nun mit diesem Festival ein dichtes Programm über Genre-Grenzen hinweg anzubieten und dadurch Intensität zu schaffen.
KD: Welchen Bezug haben die dargebotenen Programmpunkte konkret zur Stadt Düsseldorf? Oder sind die Stücke auf jede andere Großstadt beliebig übertragbar?
Vuletic: Das Festival ist schon ganz klar auf Düsseldorf, auf den Raum als solchen zugeschnitten. Das kann man daran erkennen, dass die Räume, die wir ausgewählt haben, an den einzelnen Darbietungen entscheidend beteiligt sind. So spielen bei „Einzelzimmer“ und der „Tour der sanften Tristesse“ die ausgewählten Räume eine entscheidende Rolle. Die „Tour der sanften Tristesse“ ist eine „Stadtführung der anderen Art“ und bezieht sich als solche natürlich ganz konkret auf die Stadt Düsseldorf. Wir gehen also in den Raum der Stadt, an Orte, die erst einmal gar nicht im Blickfeld stehen, an die man nicht denkt, wenn man in Düsseldorf etwas entdecken möchte. Wir wollen durch bestimmte Ideen oder künstlerisch-absurde Aspekte die Realität etwas verrücken. Bei dem Theaterstück “Einzelzimmer“, der Inszenierung von Christof Seeger-Zurmühlen für das Festival ist es so gewesen, dass, als er den Raum im HPZ – dem Hauptveranstaltungsort unseres Festivals – erstmals gesehen hatte, er gleich dachte: dieser Raum passt perfekt zu meiner in den Vorjahren entstandenen Grundidee von verschiedenen Monologen in verschiedenen Räumen. Es wäre erst einmal gar nicht denkbar, das Stück an einen anderen Ort zu transportieren, da es sich quasi auch an Ort und Stelle entwickelt. Etwas indirekter ist es bei meinen beiden Kompositionen, die Musiker sind z. B. aus New York und nicht aus Düsseldorf. Hier spielen die Räume eine akustische Rolle. Die Uraufführung der beiden Kompositionen – zum einen ist das die „Atemwende“ und zum anderen die „Unschärfe“ – wird im HPZ mit seiner außergewöhnlichen Akustik stattfinden, was eine Herausforderung für die Musiker sein wird. Ein weiterer Aufführungsort wird die Berger Kirche sein, also ein ganz anderer Raum als eine alte Brotfabrik, sowohl akustisch als auch natürlich vom Raum selbst her. So bekommen diese Musikaufführungen über die verschiedenen Räume, in denen sie aufgeführt werden, auch einen Bezug zu Düsseldorf.
KD: Wo sieht sich das Festival im großen Veranstaltungskalender Düsseldorfs? Wo seht ihr euch in Bezug auf bereits etablierte Events, wo möchtet ihr euch vom Bestehenden abgrenzen?
Vuletic: Ganz klar ist, wir wollen uns nicht abgrenzen, darum geht es uns nicht. Wir haben bei unserer Vision dieses Festivals und während der Entstehungsphase erst einmal gar nicht gefragt “wo kriegen wir unser Publikum her“?, “wie voll wird es sein?“ – diese ganzen Marketingaspekte waren für uns eher zweitrangig. Für die Umsetzbarkeit sicherlich wichtige Fragen, aber weniger für unsere Planung. uns geht es nicht um den kommerziellen Erfolg – als Träger des Festivals dient ein gemeinnütziger Verein, der „asphalt Festival e. V.“. Uns geht es erst einmal darum, viele einzelne Plattformen in Düsseldorf zu bieten, wo innerhalb eines komprimierten Zeitrahmens von 6 Tagen eine unglaubliche Intensität erzeugt wird, in dem man Künstlern, die eine starke Vision haben und diese möglichst kompromisslos umsetzen, eine Plattform bietet, wo sie diese Visionen realisieren können und wo sich im Kontext eines Festivals dann auch völlig verschiedenartige Veranstaltungen gegenüber stehen – dass z. B. eine avantgardistische Performance direkt neben einem Jazzkonzert stattfindet. Wir wollen Intensität und klare, unverfälschte künstlerische Visionen – ja, Kultur machen! Das ist eigentlich der zentrale Gedanke.
KD: Welches Publikum soll von eurem Festival angesprochen werden?
Vuletic: Also, was wahrscheinlich jeder Festivalleiter sagt, aber wir meinen es auch so, ist: wir wünschen uns eigentlich alle! Ab dem nächsten Jahr werden wir auch Kinderstücke haben. Wir wollen versuchen, Offenheit zu demonstrierten, nicht auf den etablierten Bühnen spielen, sondern wir wollen in die Stadt hineingehen, dass etwas im Stadtbild passiert – wir wollen zum Publikum hingehen. Wir hoffen, dass durch die Buntheit des Programms – es wird Performance, Monologe, Jazzkonzert, Kunst gegen Bares , die „Tour der sanften Tristesse“ etc. geben – der Besucher, der vielleicht nur gekommen ist, um sich z. B. die Balkan-Ska-Reggae-Punk-Band „Trovaci Live“ anzuschauen, dass dieser wahrnimmt, Mensch da gibt ja noch einige andere coole Sachen, die mich interessieren, da geh ich auch noch hin. Wenn wir es schaffen, dass sich Leute Sachen anschauen, die sie sich sonst nie im Leben anschauen würden, weil sie an bestimmten Ort stattfinden, wie z. B. Tonhalle oder Schauspielhaus und wo sie sich vielleicht manchmal nicht so eingeladen fühlen, dann haben wir eine für uns wichtige Intension erreicht. Ein anderer Aspekt ist auch: der Hauptaustragungsort unseres Festival, das HPZ – das Gebäude der Hans-Peter-Zimmer-Stiftung in der ehemaligen Backfabrik CON-SUM – soll kein Ort sein soll, wo man nur konsumiert. Es soll vielmehr auch Gelegenheit bieten, sich vor oder nach den Veranstaltungen auszutauschen, zu diskutieren, zu streiten. Einen idealen Ort hierzu wird es im zweiten Hinterhof mit dem „Asphaltparadies“ geben – ein wunderschön gestaltetes Kaffee mit guten kulinarischen Sachen, wofür der Betreiber, das Restaurant Spoerl, bekannt ist und wofür es steht.
KD: Ihr habt “asphalt“ quasi über Nacht aus dem Boden gestampft. Mit welchen Problemen hattet ihr zu kämpfen?
Vuletic (lacht): ja, das ist ein großer Spaß – wir haben im Dezember angefangen und haben dann natürlich neben den rein künstlerischen Fragen, die es zu klären galt, erst mal schon geschluckt, als es darum ging, endgültig zu entscheiden, das Festival trotz dieser kurzen Vorlaufzeit auf die Beine zu stellen, weil wir z. B. zu diesem Zeitpunkt noch fast keine Gelder akquiriert hatten. Es war schon eine mutige Angelegenheit, weil man dann dafür nachher auch gerade stehen muss – man kann so ein Festival nicht einfach einen Monat vorher absagen. Das größte Problem war also erst mal schon der Zweifel – „hui, da lehnen wir uns sehr weit aus dem Fenster, können wir das schaffen?“ – In diesem Moment kam dann ein wirklich „schöner Wind auf“ an Leuten, die uns ihre Unterstützung angeboten haben, wie z. B. der Münchner Webdesigner Max Herrmann, der unseren Internetauftritt gestaltet hat oder die Agentur „Worte und Wunder“, die für unsere Pressearbeit sorgt und viele andere mehr. Auf Seiten der Produktion gab es natürlich auch immer wieder kleinere Stolpersteine, da wir ja auch jeden Weg das erste Mal gehen – niemand hat von uns zuvor ein Festival organisiert – da gab es so Themen wie „wie gründe ich einen Verein?“, „welche Sachen sind umsatzsteuerbefreit, welche nicht?“ etc. Also diese formellen Sachen waren doch oft relativ kompliziert – dann so Sachen wie Sponsorensuche, Stiftungen kontaktieren etc. Es gab aber natürlich auch ganz praktische Sachen wie „wie bekomme ich einen Flügel in den Hof?“, „wie bekomme die vielen zusätzlichen Stühle, die ich brauche, hier her?“ Es war und ist sicherlich sehr viel Arbeit, aber auf der anderen Seite haben wir auch viel Hilfe erfahren und das ist schön.
KD: Wo steht ihr aktuell mit den Vorbereitungen, seid ihr im Plan?
Vuletic: Wir haben einen Masterplan, da sind wir bei allen großen Punkten „im Grünen“, das Festival ist finanziert, die Umsetzung damit gesichert, auch wenn wir aktuell vielleicht noch nicht ganz die finanziellen Mittel erreicht haben, die wir als Zielgröße anstreben. Natürlich stehen alle Spielort, die Festivalbeiträge, die Künstler usw., das ist alles schon klar. Es gibt zwar noch Vieles im Detail, aber wir haben jetzt keine Bedenken, dass das Festival nicht stattfinden wird. Wir haben auch bereits den Vorverkauf gestartet – wer also Interesse hat, der kann sich mit seinen Ticketwünschen entweder per Mail wenden an ticket@asphalt-festival.de oder er kann die Tickets über unsere Homepage bestellen. Es ist auch durchaus empfehlenswert, sich die Tickets im Vorverkauf zu besorgen, da die Plätze meist relativ begrenzt sind – z. B. findet die „Tour der sanften Tristesse“ in einem Rheinbahnbus statt, der auf 30 Plätze begrenzt ist. Die Tour findet 3 Mal statt.
KD: Gibt es etwas, wo ihr sagt, da habt ihr jetzt beim ersten Mal, wo ihr das macht, Lehren gezogen, das machen wir das nächste Mal anders bzw. besser?
Vuletic: Ja, ganz klar. Was uns dieses Jahr auf jeden Fall gefehlt hat, das war die Besetzung eines Produktionsleiters, da uns dafür dieses Jahr einfach die Mittel noch gefehlt haben. Da wollen wir für nächstes Jahr auf jeden Fall einen fähigen Menschen mit viel Festivalerfahrung engagieren, der die ganze produktionstechnische Ebene übernimmt. Das ist für uns das nächste Mal ein absolutes Muss! Darüber hinaus – wenn man so etwas das erste Mal macht, dann gibt es viele kleine Sachen, bei denen man erst Andere davon überzeugen muss, dass es klappt – da werden wir es sicherlich im kommenden Jahr einfacher haben. Wenn wir jetzt eine gute Premiere quasi als Kick-Off zeigen, werden wir es beim nächsten Mal sicherlich leichter haben z. B. an Stiftungsmittel zur Finanzierung heranzukommen – man muss dann einfach nicht mehr so viel Überzeugungsarbeit leisten als beim ersten Mal.
KD: Ihr startet dieses Jahr bei der Erstauflage dieses Festivals noch vergleichsweise überschaubar. Wie sehen denn eure Perspektiven für die Zukunft aus? Welche Vorstellungen habt ihr, wohin sich dieses Festival entwickeln soll?
Vuletic: Wir sind jetzt bereits auch schon in der Planung für 2013. Wir wollen auf jeden Fall diese Vision ausweiten, sowohl räumlich als auch programmatisch. Unser Ziel ist es so „nadelstichartig“ in noch mehr verschiedene Räume in den unterschiedlichsten Teilen der Stadt zu gehen. Programmatisch wollen wir uns noch öffnen hinsichtlich der Disziplinen. Wir möchten also nicht nur Theater und Musik haben, wir möchten gerne in jedem Fall etwas in Richtung Tanzperformance machen, Theaterstücke für Kinder sind angedacht und es gibt bereits auch einige konkrete Projektideen mit ausgewählten bildenden Künstlern.
KD: Herr Vuletic – zunächst einmal vielen Dank für dieses Interview, mit dem Sie uns und unseren Leser einen offenen und interessanten Einblick in das Entstehen dieses neuen und spannenden Festivals gegeben haben. Wir sind uns sicher, “asphalt“ wird ein toller Erfolg, weil es genau zur richtigen Zeit den richtigen Nerv trifft. Unsere Leser möchten wir dazu animieren, sich bei uns rege über dieses Sommer-Highlight auszutauschen. Wir werden hierzu eine Tweed-Line auf unserem Portal einrichten: die auf Twitter unter dem Hashtag #asphaltfestival geposteten Tweeds werden dann links auf der Startseite von www.kunstduesseldorf.de zu verfolgen sein. Also – postet uns eure Live-Eindrücke vom Festival und ihr seid damit bei uns auf Seite 1!
Vuletic: Wir danken auch – wir denken, dass ihre Plattform “KunstDuesseldorf“ als Medium schön zu diesem Festival passt, da man hier miteinander ganz gut in die Diskussion und den Austausch zu „asphalt“ treten kann.
– ENDE TEIL 1 des Interviews –
Im TEIL 2, der in Kürze folgen wird, geht es dann speziell um den Festivalbeitrag von Bojan Vuletic, seine Kompositionen „Atemwende“ und „Unschärfe“.
Das Interview für KunstDuesseldorf führte Sven Blatt.
Erstaufführung des Stückes Einzelzimmer des Theaterkollektivs per.Vers. Der Zuschauer wird Zeuge von erstaunlichen Versuchen der Kontaktaufnahme. Dieser Beobachtung geht allerdings eine wegweisende Entscheidung jedes Besuchers voraus. >>> mehr
Bojan Vuletics Kompositionen sind musikalische Re-Kompositionen bildender und poetischer Kunstwerke – in diesem Fall von Paul Celan und Gerhard Richter. Aufgeführt werden sie von einem New Yorker Ensemble bestehend aus Nate Wooley und dem MIVOS String Quartet. >>> mehr
Die Gruppe Candlelight Dynamite präsentiert das Andersen-Märchen in einer freien Live-Hörspielbearbeitung von Thomas Brasch: liebevoll und verdreht, augenzwinkernd und verrückt. >>> mehr
Wer weiß schon, welche Geschichten sich hinter dem Dasein einer Bordsteinkante, eines Gartenzwerges, eines nie beachteten Ahornbaumes oder dem Büdchen mit mystischer Grundflächenberechnung verstecken? Diese ganz besondere Tour mit dem Theaterkollektiv per.Vers. spürt einige von ihnen auf! >>> mehr
Jetzt auch in Düsseldorf! In dieser Offene-Bühne-Show des ARTheater Köln stellen sich die Künstler beherzt der unmittelbaren Wertschätzung des Publikums! Ganze sieben Regeln stecken den Handlungsspielraum kantig ab. >>> mehr
Die Produktion des ARTheater Köln zeigt in einem Stück von Eric Bogosian unbequeme Charaktere. Deren konsumgesellschaftlich geprägte persönliche Befindlichkeiten werden in einer Inszenierung von Kathrin Sievers präsentiert. >>> mehr
Schluss mit dem kulturellen Sommerloch –
es gibt ein neues Festival für Theater und Musik in Düsseldorf!
Vom 6. bis 11. Juli 2012 wird ASPHALT erstmalig zeitgenössische
Kultur aus den Bereichen Musik und Theater an besonderen Orten und
in ungewöhnlichen Räumen der Stadt präsentieren. ASPHALT soll fester
Bestandteil des sommerlichen Kulturkalenders werden und sich als
jährliches Festival etablieren.
Die Stadt Düsseldorf als Lebensraum steht im Fokus von ASPHALT. Wenn
sich die meisten Spielstätten in die Sommerpause verabschieden,
erschließt ASPHALT unterschiedliche Orte in der ganzen Stadt als
Bühne. Unter dem Motto: „Raus aus dem Theater, rein in die Stadt!“
bietet das Festival u.a. Theaterinszenierungen in einer ehemaligen
Backfabrik, zeitgenössische Musik in Kirchen und startet im
Gewerbegebiet zu einer „Tour der sanften Tristesse“.
Das sechstägige Festival umfasst insgesamt 17 Veranstaltungen an
verschiedenen Orten. Zu sehen sind Theaterinszenierungen und
Performances mit Ensembles aus Berlin, Köln und Düsseldorf, darunter
drei Uraufführungen. Musikalisch reicht die Bandbreite von Neuer
Musik über Balkan-Ska-Reggae-Punk und Elektro bis zu akustischem
Jazz. Festivalzentrum und Hauptspielort von ASPHALT ist das Gebäude
der Hans-Peter-Zimmer-Stiftung (HPZ) in der ehemaligen Backfabrik
CON-SUM, Ronsdorfer Straße 77a. Dort wird auch das Restaurant Spoerl
einen kulinarischen Festivalgarten betreiben.
Initiatoren des Festivals sind der Regisseur Christof Seeger-
Zurmühlen und der Komponist Bojan Vuletic. Christof Seeger-Zurmühlen
war von 2003 bis 2011 Schauspieler am Jungen Schauspielhaus, ist
Förderpreisträger für darstellende Kunst der Landeshauptstadt
Düsseldorf 2010 und arbeitet seit 2006 als freier Regisseur, sowohl
an städtischen Bühnen als auch im eigenen Theaterkollektiv per.Vers.
Bojan Vuletic hat als freier Komponist und Musiker an zahlreichen
Tonträgern, Theater- und Tanzstücken mitgewirkt und war u.a.
musikalischer Leiter von zwei RUHR2010-Projekten mit den Duisburger
Philharmonikern. Eine langjährige Zusammenarbeit verbindet ihn mit
der in Düsseldorf lebenden Künstlerin Danica Dakic. Er war
verantwortlich für die Audio-Realisation ihrer Performances und
Ausstellungen u.a. auf der documenta 12 in Kassel, der Biennale 2010
in Liverpool und in der Kunsthalle Düsseldorf.
ASPHALT 2012 wird vom Kulturamt der Stadt Düsseldorf, der Rheinbahn
AG, mittelständischen Sponsoren und privaten Spendern materiell und
finanziell unterstützt.
Ab 08.02.2012 (diesen Mittwoch) öffnet die Kunstakademie Düsseldorf ihre Tore offiziell zum diesjährigen RUNDGANG.
Die Redaktion von KunstDuesseldorf hat sich bereits heute (Montag) einmal in den „Heiligen Hallen“ (und Gängen) der KUNSTAKADEMIE DÜSSELDORF umgeschaut – da ist bis Mittwoch noch Einiges zu bewegen ;-) – intessant war dabei zu beobachten: die Malklassen nehmen es am Lockersten – während in den meisten Bildhauerklassen bereits alles „fein säuberlich“ arrangiert und drappiert ist, scheint es, dass man in den Malklassen z. T. noch am überlegen ist, was man zeigen bzw. was man wegstellen oder gar zum Müll tun soll. Aber wie gesagt, es ist ja erst Montag.
Mich beschleicht aber wenn ich es mir ehrlich eingestehe das Gefühl, dass man in den Bildhauerklassen mit einer professionelleren Einstellung an die ganze Sache rangeht und dass sich dies auch in der Qualität der Arbeiten widerspiegelt (und das sage ich als Maler, als der ich eigentlich naturgemäßig meinem eigenen Metier näher stehe als der Objektkunst). Fairer Weise muss ich aber betonen, dass einfach heute noch nicht alles an Malerei zu sehen war (denke ich jedenfalls). Zudem war doch auch ein gewisses Gefälle zwischen einzelnen Bildhauerklassen festzustellen. Dass ich tendenziell das Gefühl einer höheren Qualität bei den Bildhauern hatte mag vielleicht auch daran liegen, dass Professoren wie Cragg und Fritsch ihren Stempel stärker auf die Arbeiten ihrer Studenten aufzudrücken scheinen als z. B. ein Professor Anzinger seiner Malklasse, wo doch sehr eigenständige, eigenwillige, wenn auch vielleicht malerisch noch unausgegorene, suchende Arbeiten entstanden sind. Auffällig bei den Objektarbeiten ist auch eine Tendenz, sich Design und „Lifestyle“ anzunähern, obwohl ich nicht verschweigen möchte, dass natürlich wieder die obligate Messihütte an ihrem angestammten Platz (EG, am Ende des Ganges) nicht fehlen durfte.
Ob die Malklassen bis Mittwoch noch in der Lage sind, „nachzulegen“, wird sich am Mittwoch zeigen. Mein Vorabbericht ist jedenfalls nicht dazu gedacht, bereits ein festes Urteil zu verbreiten. Ich möchte vielmehr Ihre Neugierde auf den diesjährigen Rundgang wecken. Ich werde mir den komplett aufgebauten Rundgang nochmals anschauen und ich lasse mich dann auch gerne (wenn berechtigt) Lügen strafen.
Ich wünsche jedenfalls allen Besuchern ein tolles Ausstellungserlebnis.
Sven Blatt | Redaktion Kunstduesseldorf
Nachtrag:
Mit der im 3. Stock gezeigten Malerei, bis zu der ich am Montag leider noch nicht vorgedrungen war, muss ich meine Aussagen zur Malerei etwas relativieren. Es sind dort durchaus einige beachtenswerte Werke zu sehen, wenn auch nicht ganz in der Güte des vergangenen Jahres. Ich werde auf einige dieser Werke noch in einem weiteren Artikel eingehen. Tipp daher: Wer speziell an Malerei interessiert ist, der sollte sich die anderen Gänge sparen und sich direkt in den 3. Stock begeben.
Lesen Sie nun auch als SPECIAL FEATURE unseren abschließenden Gesamtbericht.