Die Lager derjenigen Künstler, die mit Öl malen bzw. der Künstler, die mit Acryl malen, scheinen in sich sehr geschlossen zu sein und stehen sich meist auch unversöhnlich gegenüber. Diskussionen darüber enden nicht selten bei unterschiedlichen Weltanschauungen. Es scheint so ähnlich zu sein, wie mit dem eingefleischten BMW-Fahrer, der nicht im Entferntesten daran denkt, jemals auf Mercedes umzusteigen. Mehr oder weniger gute Argumente für das verwendete Medium haben beide Seiten. Manche dieser Argumente stimmen jedoch nur bedingt, andere sind reine Glaubenssache. Mit meinem kleinen Beitrag möchte ich versuchen, zur Arbeit mit beiden Materialien aus Sicht eines Malers, der mit Acryl begonnen hat und nun seit langem fast ausschließlich mit Öl arbeitet, etwas zur Orientierung für diejenigen beizutragen, die vor der Entscheidung stehen: male ich in Öl oder in Acryl.
Eines allerdings direkt vorweg: die Entscheidung für einen bestimmten Pigmentträgerstoff (Öl oder Kunststoff) ist – wenn einmal getroffen – natürlich nicht für alle Zeiten in Stein gemeißelt, es ist sogar ratsam, beides selbst einmal ausprobiert zu haben um dann eine fundierte Entscheidung nach der individuellen Zielsetzung oder Vorliebe zu treffen.
Nun einige Argumente, die für oder gegen Öl bzw. Acryl angeführt werden.
1. Mit Öl malen ist schwieriger als mit Acryl.
Mit diesem Argument wird häufig insbesondere Anfängern unbegründet Angst davor gemacht, mit Ölfarbe zu arbeiten. Wenn man dann fragt, warum es denn schwieriger sein soll, dann bekommt man meistens sehr nebulöse Antworten, wie, sie wären schwieriger zu mischen. Vielleicht ist es aber auch nur der Versuch, der Ölmalerei einen gewissen Nimbus zu erhalten. Fakt ist: mit Öl zu arbeiten ist nicht schwieriger und genau so erlernbar wie die Acryltechnik. Die Ölmalerei scheint nur dadurch schwieriger zu erscheinen, da sie komplexere Möglichkeiten bietet und dadurch die Beurteilungsmaßstäbe und die eigenen Ansprüche steigen. Ich glaube, schwierig wird hier mit mühevoll verwechselt. So mag es sein, dass es als schwieriger empfunden wird, mit Öl einen feinen, übergangslosen Farbverlauf hin zu bekommen als mit Acryl. Das kommt aber nur daher, dass man mit Acryl hier viel eher an Grenzen stößt. Man findet sich damit ab, dass es mit Acryl halt nun mal schliert und schmiert,was so dann auch als bequeme Ausrede verwendet werden kann.
2. Wenn man mit Öl malt, dann muß man immer so lange warten, bis es getrocknet ist und übermalt werden kann.
Für das einzelne Bild ist dieser vermeintliche Nachteil erst einmal nicht von der Hand zu weisen. Dem kann man über mindestens 2 Wege entgegenwirken: Parallel an mehreren Werken arbeiten und/oder nicht so fett malen, d. h. den Lösungsmittelanteil, den man beimischt, erhöhen. Dadurch trockner das Gemalte schneller. Es gibt vermutlich auch trocknungsbeschleunigende Malmittel, damit habe ich mich aber nie befasst, weil ich das nicht brauche. Der Nachteil der längeren Trocknungszeit kann aber auch zum Vorteil werden, wenn man nass in nass arbeiten und dabei nicht in absolute Hektik verfallen möchte. Was man dabei auch nicht vergessen darf: die Notwendigkeit, beim Acrylmalen mehrere Schichten übereinander zu legen, um eine gute Deckung zu erzielen, benötigt auch seine Zeit. Bei Ölfarben kommt es gerade wegen dieser Eigenschaft wie ich finde zu den intensivsten Malerlebnissen. Acryl hört dort auf, wo die Malerei eigentlich erst richtig beginnt – jedenfalls für mein erlebtes Malempfinden.
3. Ölfarben sind erheblich teurer als Acrylfarben.
Auf den ml Farbe bezogen ist dieses Argument zutreffend. Es lässt sich allerdings relativieren: Ölfarben besitzen in aller Regel eine höhere Deck- und Leuchtkraft und sind dadurch erheblich ergiebiger. Bei Ölfarben reicht oftmals bereits ein Auftrag, um opake Deckung zu erzielen, während man bei Acryl „Mehrfachanstriche“ benötigt. Es muss bei Öl auch nicht die teuerste Qualität sein, „Studio“ reicht oftmals auch schon aus. Letzten Endes ist aber doch die Frage: was nutzt es einem, wenn man billig war, wenn es danach auch billig aussieht.
4. Die Lösungsmittel beim Ölmalen sind gesundheitsschädlich.
Dem ist vermutlich so, hängt aber von persönlichen Verträglichkeiten ab und den Räumlichkeiten, in denen man malt. Bei großen Atelierräumen mit guter Durchmischung der Luft sollten die Gesundheitsrisiken reduziert sein. Mit den Malmitteln, die aktuell angeboten werden, um Ölfarben auf Wasserbasis zu verdünnen bin ich leider nicht zurecht gekommen, das ging dann eher wieder in Richtung Geschmiere.
Resümee:
Für mich ist das Malen mit Öl aus den beschriebenen Gründen zu bevorzugen. Das gleiche Motiv in Öl umgesetzt wird erheblich besser im Resultat, als es in Acryl jemals werden kann. Acryl ist ein stumpfes Material während Ölfarben einfach lebendiger wirken. Ölfarben sind so vielseitig, daß man mit ihnen sogar so malen kann, als wären es Acrylfarben (matt, lassierend und nicht glänzend), wenn man dies möchte. Umgekehrt geht dies nicht. Also: wagt den Schritt zum Öl und riecht den herrlichen Duft von Leinöl und Balsamterpentinöl und spürt den Spass an der „Butterigkeit“ der Farbmasse, die man so herrlich in einander verschmieren kann.
Ich lade hiermit zur Diskussion ein!
Viele Grüße
Sven Blatt